Harry Belafonte – Belafonte Sings The Blues (1958)

 

Vor ein paar Wochen las ich „My Song“ (Kiepenheuer & Witsch, 2012), die Autobiographie Harry Belafontes, die er gemeinsam mit dem Journalisten Michael Shnayerson verfasst hat. Ein aufrüttelndes, ein gutes Buch. Für Leute, die sich vornehmlich für seine Musik interessieren, ist es allerdings nur bedingt zu empfehlen. Im Rückblick auf über 80 äußerst turbulente und ereignisreiche Jahre, in denen die politischen und sozialen Umbrüche weit radikaler und schwerwiegender waren als die kulturellen, liegt demzufolge auch das Hauptaugenmerk auf seinem Engagement für die amerikanische Bürgerrechtsbewegung, seiner Rolle bei „USA for Africa“ und dem Wirken als UNICEF-Botschafter.

Ausführlich geht er auf seine Kindheit ein, die er als Sproß armer Einwanderer inmitten von Kleinkriminellen und Ausgestoßenen in Harlem verbrachte. Als ihn seine Mutter zu seiner weißen Großmutter nach Jamaika schickte, erkannte Belafonte seine natürliche Begabung, sich völlig ungezwungen zwischen Menschen verschiedenster Hautfarben und Klassenzugehörigkeiten zu bewegen. Zurück in New York entflammte eine lebenslange Liebe zur Theaterbühne, ausgelöst durch Besuche im American Negro Theatre. Anfang 1946 fiel ihm dort auch seine erste Rolle in den Schoß. Da er aber noch einen regulären Job als Hausmeister hatte, konnte er bei einer Sondervorstellung nicht auftreten, weil der Müll pünktlich rausgebracht werden mußte. Sein damals einziger Freund sprang für ihn ein und bekam 18 Jahre später als erster Schwarzer einen Oscar: Sidney Poitier. Harry kämpfte inzwischen verbissen weiter um seine Schauspielkarriere. Als es ihm gelang, einen Platz im Dramatik-Workshop beim legendären Erwin Piscator zu ergattern, saßen in seiner Klasse die jungen Walter Matthau, Rod Steiger und Tony Curtis, später allesamt ebenfalls Oscar-Preisträger oder zumindest Nominierte (Curtis). Der Vierte im Bunde und lebenslanger Freund Belafontes sollte 1973 aus Protest gegen die Regierungspolitik gegenüber den indianischen Ureinwohnern seinen zweiten Hauptrollen-Oscar sogar ablehnen. Sein Name: Marlon Brando.

 

Nach den Aufführungen ging Harry meist noch ins Royal Roost, einen angesagten Jazzclub, wo er sich mit dem Saxophonisten Lester Young anfreundete. Als der Workshop zu Ende war, hatten seine weißen Kumpels allesamt Engagements ergattert, nur Harry jobbte weiter als Laufbursche. Er hatte geheiratet, seine Frau war schwanger und ihm saß die Angst im Nacken, seine kleine Familie nicht ernähren zu können. Die Freunde aus dem Royal Roost, die ihn einmal in einem Theaterstück hatten singen hören, schlugen ihm vor, in den Pausen bei Auftritten von Lester Youngs Band ein paar Lieder zum Besten zu geben. Da ihm der Besitzer des Clubs dafür 70 Dollar die Woche anbot, erarbeitete sich Belafonte, der sich nie als Sänger gesehen hatte, zusammen mit Youngs Pianisten Al Haig ein kleines Repertoire aus Standards. Als er für seinen ersten Auftritt die Bühne betrat, um zur Begleitung Haigs „Pennies From Heaven“ vorzutragen, gesellte sich von den Musikern, die eigentlich ihre wohlverdiente Pause genießen wollten, einer nach dem anderen zu ihm. Und so wurde die Premiere eines völlig unbekannten 21-Jährigen von einer Band unterstützt, die heute nur noch in den feuchten Träumen eingefleischter Jazzfans vorkommt: Al Haig (Piano), Tommy Potter (Bass), Max Roach (Schlagzeug) und Charlie Parker (Saxophon)! Auch wenn es sich dabei um einen einmaligen Freundschaftsdienst handelte, sorgte allein die Tatsache, daß ihn einige der weltbesten Musiker begleitet hatten dafür, daß ihm vom Publikum und interessierten Veranstaltern und Agenten ein Maß an Respekt und Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde, das er sich wohl selbst mit jahrelanger Tingelei durch Nachtclubs nie hätte erarbeiten können.

Nun ging es in relativ kurzer Zeit steil nach oben. Alle schienen den gutaussehenden Burschen mit der angenehmen Stimme zu mögen. Als er im Herbst 1950 erstmals für einen Club im amerikanischen Süden (in Miami Beach) gebucht wurde, benötigte er vier Ausweise, um heil in den Club und nach dem Auftritt auch wieder wohlbehalten in ein billiges Motel im schwarzen Teil der Stadt zu kommen. Farbigen war es damals gesetzlich verboten, überhaupt einen weißen Taxifahrer heranzuwinken oder sich nach der Sperrstunde (21 Uhr) im „weißen“ Miami aufzuhalten. Nach zwei Wochen beschloß Belafonte, nie wieder Schnulzen für wohlhabende weiße Damen zu singen.

 

Zurück in New York eröffnete er mit zwei Freunden einen Hamburger-Laden. Keiner hatte Erfahrung in geschäftlichen Dingen, und schon bald häuften sich Schulden an. Nebenbei nahm Belafonte wieder Schauspielunterricht und ging unentwegt zum Vorsprechen, wo er immer wieder zu hören bekam, daß es in den Stücken „keine Rollen für Neger“ gäbe, ein Satz, der auch heute noch vielen farbigen Schauspielern bekannt vorkommen dürfte.

In unmittelbarer Nähe des Ladens lag das Vanguard, ein Folkclub, in dem Harry Woody Guthrie, Leadbelly und Josh White hörte. Begeistert von den Songs, die sie spielten, fuhr er nach Washington, um in der Library of Congress in Alan Lomax' riesiger Sammlung nach geeignetem Material zu suchen. Mit dem Stammkunden Craig Work spielte er dann nach Geschäftsschluß den verbliebenen Gästen seine neuesten Fundstücke vor. Dabei hörte ihn ein junger und erfolgloser Manager, Jack Rollins, der später u.a. Koproduzent so ziemlich aller Woody-Allen-Filme werden sollte. Rollins animierte ihn, sich als Folksänger zu versuchen und vor allem, seine noblen Anzüge gegen ein tailliertes Hemd und enge Hosen mit Matrosengürtel einzutauschen. Belafonte wurde nun also zum Interpreten von Folksongs, ausgestattet mit leichtem Pop- sowie Jazz-Appeal. Das kam an. Im April 1952, also fast vier Jahre vor Elvis, machte er seine ersten Aufnahmen für RCA. Die ersten Singles floppten, aber live lief es umso besser. Zum ersten Mal trat er in Las Vegas auf und war dort der erste Farbige, der es wagte, in den Pool eines Nobelhotels zu springen. Seine ständig wachsende Popularität gab ihm die Möglichkeit, Grenzen zu überschreiten, an die viele seiner Leidensgenossen noch nicht einmal gekommen waren. Als dann „Matilda“ ein Hit wurde und sein zweites Album („Belafonte“) im Mai 1956 bis auf Platz zwei der Charts kletterte, konnte ihm nicht mal mehr der berüchtigte Untersuchungsausschuß McCarthys etwas anhaben. Nach zwei LPs mit modifizierten Folksongs setzte Belafonte gegen die Befürchtungen der Plattenfirma ein Album ausschließlich mit Stücken aus der Karibik durch. „Calypso“ sollte der erste Longplayer in der Geschichte werden, von dem mehr als eine Million Exemplare abgesetzt wurden. Und trotz Elvis' ersten beiden Geniestreichen wurde „Calypso“ die meistverkaufte Platte des Jahres 1956 und Auslöser einer allerdings recht kurzen Welle. Bis hierhin erzählt Harry Belafonte in seinem Buch sehr detailreich und ausführlich von seinen Erlebnissen im Musikgeschäft, um sich dann jedoch mehr und mehr seinen politischen Aktivitäten zuzuwenden. Davon soll an dieser Stelle aber nicht die Rede sein. „Belafonte At Carnegie Hall“ (1959), das für viele noch heute zu den besten Live-Alben aller Zeiten zählt, widmet er in „My Song“ immerhin noch eine knappe Seite. „Belafonte Sings The Blues“ wird mit keinem Wort erwähnt! Mir bleiben also nur ein paar schmale Fakten und Spekulationen. Dabei hätte es mich wirklich brennend interessiert, ob es seine eigene Idee war, sich erneut in einem anderen Metier zu versuchen, oder ob der Anstoß von außen kam. Die Plattenfirma dürfte auch diesmal wenig begeistert gewesen sein, schon wieder den erfolgversprechendsten Pfad zu verlassen. Schon bei „Calypso“ hatte man befürchtet, ohne Not den Kreis potentieller Käufer einzuengen. Doch der Erfolg hatte Belafonte recht gegeben. Und so ging man im Januar 1958 für erste Aufnahmen ins Studio. Leider sind keine konkreten Verkaufszahlen bekannt, aber ein 16. Platz in den Charts dürfte dann doch alle Beteiligten zufriedengestellt haben. 1961 folgte jedoch mit „Jump Up Calypso“ die Rückkehr auf altbewährtes Terrain.

 

Blues-Puristen, die ausschließlich auf 12-Takter im Call-and-Response-Modus stehen oder Leute, die Muddy Waters und John Lee Hooker sowie deren englische Schüler vergöttern, sind hier falsch. Wer aber seine Vorurteile mal beiseite schiebt (bei Puristen nicht ganz einfach, ich weiß), um sich anzuhören, was Mr. Belafonte zum Thema beizutragen hat, wird es nicht bereuen. Da er schon in seiner Zeit als traditioneller Folksänger gelegentlich Bedenken hatte, was die Authentizität seines Vortrags, die Berechtigung, überhaupt diese Songs zu interpretieren, betrifft (Paul Robeson persönlich beruhigte ihn), gab er nun ganz bewußt nicht den Schmerzensmann, der unablässig an seinen Ketten zerrt. Der Harry Belafonte von 1958 war ein sehr wohlhabender und enorm populärer Entertainer, der ganz genau wußte, an welchem Punkt er unglaubwürdig werden würde. Und so widmet er sich intensiv dem Großstadt-Blues eines Ray Charles (gleich drei Mal), interpretiert Standards wie „Cotton Fields“ und „In The Evenin' Mama“ sowie Songs von Fred Brooks und Johnny Mercer. Die gesamte Platte fließt in einem bedächtigen Tempo, ohne jemals dahinzuplätschern oder einschläfernd zu wirken. Das war die Art von Blues, die ein Mittelstands-Publikum locker vertragen konnte, ohne verschreckt zu werden. Und das ging damals recht schnell. Man denke nur an Elvis' Hüftschwung. Und trotzdem findet sich aus heutiger Sicht nichts Belangloses oder gar Unaufrichtiges in diesen Aufnahmen. Belafonte wirkt absolut authentisch, mit dem Herzen bei der Sache. Was für ein Sänger! In der selben Liga sang damals für mich nur sein Freund Sinatra. Der hatte 1958 mit „Come Fly With Me“ und „Sings For Only The Lonely“ zwei seiner besten Platten veröffentlicht. „Belafonte Sings The Blues“ fehlt deren Las-Vegas-Flair, was ich als sehr angenehm empfinde. Auf Streicher wurde völlig verzichtet. Intime Club-Besetzungen mit Bass, Schlagzeug, akustischer Gitarre, Piano und verschiedenen Blasinstrumenten waren angesagt. Und obwohl sich die Sessions bis Anfang Juni hinzogen, an zwei verschiedenen Orten (New York und Hollywood) stattfanden und gleich drei unterschiedliche musikalische Leiter hatten (Dennis Farnon, Alan Greene und Bob Corman), sind keinerlei Brüche zu erkennen. Alle zogen am selben Strang und die beteiligten Musiker, fast ausschließlich aus der ersten Reihe der Jazz-Studio-Cracks, waren ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Wenn zum Beispiel in Billie Holidays „God Bless The Child“, das man ja heute eher von Blood, Sweat & Tears kennt, Plas Johnsons Saxophon die lässigen Akzente setzt, bleibt einem der Mund offen stehen. Und so schnell bekommt man den auch nicht wieder zu. Die Fülle an originellen Ideen beeindruckt zutiefst. Und daß einem auch nicht das kleinste Detail entgeht, dafür sorgten die Techniker von RCA. „Belafonte Sings The Blues“ war das erste in Stereo aufgenommene Album Belafontes. Und es wurde in der gerade geschaffenen „Living Stereo“-Reihe aufgelegt, die gleich im ersten Jahr einige Klassiker, die noch heute auf keiner audiophilen Liste fehlen, hervorbrachte. Dick Schorys „Music For Bang, Baaroom And Harp“ oder Fritz Reiners Aufnahmen mit dem Chicago Symphony Orchestra („Lieutenant Kije“ etc.) sollen als Beispiele genügen.

 

Schon ab 1953 experimentierte man bei RCA mit Stereoaufnahmen, erst mit 2-Spur-, bald darauf mit 3-Spur-Geräten. 1955 kamen die ersten Stereo-Tapes heraus, 1958 dann auch LPs. Und von Anfang an setzte die technische Ausstattung bei RCA die Maßstäbe für die gesamte Branche. So waren Neumann-Kondensatormikrophone (U47) Standard. Auf alten Fotos aus den 1950er Jahren sind auch Mikros mit „Telefunken“-Logo zu sehen. Doch auch die kamen von der Firma Neumann, die damals für Amerika noch einen Vertriebsdeal mit Telefunken hatte, bevor sie die Sache selbst in die Hand nahm. Geschnitten wurden die Platten bei RCA mit einer, von Larry Scully in Bridgeport, Connecticut entwickelten Schneidmaschine (daher das „S“ in den Matrixnummern vieler Platten dieser Zeit). Der Schneidkopf jedoch kam von Westrex. Bis Anfang der 1960er galt diese Kombination als das Nonplusultra bei der Plattenherstellung. Dann drängte Neumann mit seiner Schneidmaschine, deren Kopf aus eigenem Hause stammte, auf den US-Markt, und Scully verlegte sich auf die Produktion von Aufnahmetechnik. Bis heute sind die Geräte Georg Neumanns der gültige Maßstab, und so manches Presswerk wäre glücklich, wenigstens noch eine seiner Schneidmaschinen zu besitzen (und natürlich einen alten Hasen, der sie auch fachmännisch bedienen kann). Während des Krieges wurde der Firmensitz übrigens von Berlin ins weniger gefährdete Gefell im Vogtland verlegt. Daraus entwickelte sich dann der VEB Mikrofontechnik, auf dessen Geschicke Georg Neumann vom Westen aus bis in die 1970er Jahre hinein noch Einfluß ausübte. Heute gehören beide Zweige zu Sennheiser.

 

Aber wir sind ja noch im Jahr 1958. Ein bißchen „Heimatkunde“ mußte aber sein. Die Stereotechnik war natürlich für die Kunden völliges Neuland. Die große Mehrheit verfügte lediglich über Mono-Geräte. Daher sah man sich gezwungen, auf der Coverrückseite der neuen LPs eine „important notice“ abzudrucken: „This is a True Stereophonic Record specifically designed to be played only on phonographs equipped for stereophonic reproduction.“ In Deutschland fand sich die Warnung auf den (gefütterten!) Innenhüllen: „Bitte verwenden Sie unter keinen Umständen einen normalen Tonabnehmer, denn Sie zerstören damit die Stereo-Platte. Spielen Sie die Stereo-Platte nur mit einem Stereo-Tonabnehmer ab.“ Bleibt nur zu hoffen, daß das auch jeder gelesen hat. Denn ganz billig war der Spaß damals nicht. In den USA kostete eine Mono-LP etwa fünf, eine in Stereo etwa 6 Dollar. Der Stundenlohn eines einfachen Arbeiters lag bei einem Dollar. Er hatte nun die Wahl (oder auch nicht), sich entweder ein Album zu kaufen, für das Geld fünf bis sechs Mal alleine ins Kino zu gehen oder zehn bis zwölf Hamburger zu verdrücken. Nun erklären Sie heute mal ihrem Kind, daß die nächsten Besuche bei McDonalds ausfallen müssen, da der Papa sich eine neue Platte bestellt hat! Dann wissen Sie auch, warum illegale Downloads für die Kids so lukrativ sind.

Auch beim Coverdesign ging man jetzt neue Wege. Zeigten die Vorgängeralben noch einen attraktiven, strahlenden jungen Mann, wird nun, dem Inhalt angemessen, ein nachdenklicher, von Dick Stone im Profil gezeichneter Künstler präsentiert. Auch die schillernden Farben sind einem zarten Hellblau und Schwarz gewichen. Sehr dekorativ! RCA verfügte in den USA über drei eigene Presswerke: Indianapolis, Rockaway und Hollywood. Das mir vorliegende Exemplar (RCA Victor LSP-1972) wurde in der größten Fabrik in Indianapolis hergestellt. Man erkennt das am eingestanzten „I“ in der Auslaufrille. Die anderen beiden verwendeten ein „R“ bzw. „H“. Und die Scheibe klingt sehr gut, wunderbar analog, warm und detailreich. Das hatte ich aber auch nicht anders erwartet. Die Kanaltrennung ist ziemlich rigoros, Harry jedoch fein in der Mitte platziert. Die erste Überraschung bringt dann meine deutsche Ausgabe (RCA LSP 1972), gefertigt im großen Teldec-Werk in Nortorf bei Kiel. Auf der bereits erwähnten Innenhülle mit der abgedruckten Warnung tummeln sich in trauter Eintracht Abbildungen von „Belafonte At Carnegie Hall“, „Jump Up Calypso“ sowie Elvis' „Blue Hawaii“, „G.I. Blues“ und „Something For Everybody“. Wir sind also im Jahr 1961. Daß die etwas aus der Art geschlagene „Sings The Blues“ hier mit Verspätung an den Start ging, scheint mir nachvollziehbar. Was ich aber nicht erwartet hätte, ist eine hörbar deutlichere Präsenz des Gesangs. Der Namenszusatz „Victor“ wurde in Deutschland übrigens erst ca. 1963 eingeführt. Und natürlich steckt die Platte in einem „Wabbelcover“, damals bei Teldec-Produkten gang und gäbe.

Nach einer recht frühen Nachauflage in den USA (LSO-1006) schlummerte die Platte mehrere Jahrzehnte unbeachtet vor sich hin. Erst 2009 nahm sich mit Classic Records der erklärte Spezialist für frühe „Living Stereo“-Aufnahmen der Sache erneut an. Bernie Grundman besorgte das Mastering, das ja bei Classic Records, die mit den originalen 3-Spur-Bändern arbeiteten, genaugenommen sogar ein Remix war. Die Platte wirkt noch transparenter, wie unter einer Lupe betrachtet.

2012 brachte dann Impex ein auf 2000 Stück limitiertes Doppelalbum mit 45 RPM und Klappcover. Das war mir allerdings zu teuer und aufwendig (drei Mal umdrehen). Erwähnen will ich es trotzdem, da es noch verfügbar ist. Die letzte im Bunde stammt von Analogue Productions und erschien 2015. Gemastert von Ryan Smith bei Sterling Sound, knüpft sie fast nahtlos an die Classic Records-Ausgabe an. Allerdings ist sie die Einzige in der Runde, die gelegentlich kleinere Probleme mit Zischlauten hat. Dafür werden erstmals alle beteiligten Musiker auf der Coverrückseite aufgeführt. Die überschwänglichen liner notes von Nat Hentoff, der 1965 Bob Dylan für den Playboy interviewen sollte, findet man aber bei allen.

Es fällt mir hier wirklich schwer, ein objektives Fazit zu ziehen. Wenn Sie eher auf makellose Schönheit stehen, die natürlich immer ihren Preis hat, sollten Sie eines der beiden neueren Exemplare ins Auge fassen. Darf es hingegen ein etwas altmodischer Charme sein, sind Sie bei den Originalen sehr gut aufgehoben. Gerade die deutsche Ausgabe hat in dieser Hinsicht das Zeug zur Inselplatte. Informieren Sie sich aber vorher, ob es dort einen Liegestuhl gibt! „Belafonte Sings The Blues“ sollte man unbedingt völlig entspannt und mit irgendeinem Glas in der Hand genießen!

 

Musik: 9,0

Klang: 8,5 (USA, 1958)

Klang: 9,0 (Deutschland, 1961)

Klang: 9,5 (USA, 2009)

Klang: 9,0 (USA, 2015)

 

Ronald Born, März 2016