The Beatles – Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band (1967)
Sollten Sie sich bei der letzten Besprechung noch in Ihrer Meinung bestätigt gefühlt haben, ich würde mich um die ganz großen Alben drücken, will ich jetzt mal den Gegenbeweis antreten. Dabei ist mir klar, daß es buchstäblich nichts gibt, was über diese Platte nicht schon geschrieben wurde. Allein die veröffentlichten Bücher und Zeitungsartikel füllen ganze Regalreihen. Und dann kommen noch unzählige Webseiten und Blogs hinzu. Wenn man also weder dazu neigt, den zahllosen Lobpreisungen noch eine weitere hinzuzufügen und auch nicht den Drang verspürt, einem Monument ans Bein zu pissen (je überdimensionaler das Objekt, desto größer wird ja die Trefferfläche), droht gepflegte Langeweile.
Vor noch nicht allzu langer Zeit schien „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band“ ein Abonnement auf den ersten Platz in so ziemlich jeder Liste zu besitzen, die sich mit den „besten Alben aller Zeiten“ befasste. Inzwischen ist die Tendenz fallend, was ganz bestimmt nicht an Qualität und Originalität der Neuerscheinungen der letzten Jahre liegt und einen interessanten Blick auf die generelle Sinnhaftigkeit solcher Einordnungen gewährt, die heute in erster Linie originell sein müssen, damit sie überhaupt noch jemand liest. Um es vorweg zu nehmen: für mich ist „Sgt. Pepper“ (ab jetzt nur noch so) weder in musikalischer noch klanglicher Hinsicht das beste Beatles-Album und also gleich gar nicht das „beste aller Zeiten“. Aber eine Platte braucht nicht unbedingt Superlative, damit ich sie toll finde. Nur ist die unvoreingenommene Annäherung an solch ein „vorbelastetes“ Werk eben nicht ganz einfach. Da hilft es, daß ich die Beatles schon mochte und viele ihrer Songs bereits ins Herz geschlossen hatte, als ich noch gar keinen Plattenspieler besaß und allein auf Radio und Tonbandgerät angewiesen war. Ihre Lieder erreichten mich also weder in irgendeiner chronologischen Reihenfolge, noch mit dem Ballast von gefährlichem Halbwissen befrachtet. Die erste LP der „Fab Four“, die ich besaß, war der Sampler „1967-1970“; und zwar in der reduzierten Amiga-Version. Immerhin hatten darauf drei der insgesamt vier „Sgt. Pepper“-Songs die Halbierung des ursprünglichen Doppelalbums überlebt. Aber „A Day In The Life“ kannte ich ja eh schon. Und „Getting Better“, „Fixing A Hole“, „She's Leaving Home“ oder „Lovely Rita“ fanden sich damals ebenfalls längst auf meinen Tonbändern. Von „When I'm Sixty-Four“ wußte ich zwar, daß es von den Beatles ist, habe es aber jahrelang nur in der Version Udo Lindenbergs gehört. Mit der erwähnten „Annäherung“ sind also nicht die einzelnen Songs gemeint, sondern der Mythos. Und mit dem wurde ich auch erst konfrontiert, als ich mein erstes Exemplar von „Sgt. Pepper“ (eine deutsche Apple-Pressung in holländischem Cover) längst im Regal stehen hatte.
Heute ist dem nüchternen Betrachter natürlich klar, daß es weder die Musik alleine noch die Verpackung oder die Aufnahmetricks sind, die die Platte, wenn schon nicht zur besten, so doch zur berühmtesten der Rock- und Popgeschichte machten. Es ist die Summe, und es sind die vielen Gerüchte und Geschichten, die sich noch immer um sie ranken. Da ich davon ausgehe, daß so ziemlich jeder, der sich auf diese Seite verirrt (egal, ob zum ersten Mal oder regelmäßig), mit den Songs des Albums bestens vertraut ist, will ich dazu nicht mehr viele Worte verlieren. Daß nicht alle in der selben Liga wie „Lucy In The Sky With Diamonds“, „Lovely Rita“, „A Day In The Life“ und „She's Leaving Home“ spielen, hat mich die Zeit gelehrt. Andere werden hier sicherlich andere Stücke nennen, aber ich kenne niemanden, der alle auf einem identischen Niveau sieht. Und doch wäre die Platte nicht denkbar, wenn auch nur eines fehlen würde. „With A Little Help From My Friends“ zählt ganz sicher nicht zu meinen bevorzugten Nummern, aber die Tatsache, daß Lennon und McCartney es gemeinsam schrieben (was längst nicht mehr die Norm war), damit auch Ringo noch etwas zu singen bekam, zeigt überdeutlich, daß die Beatles tatsächlich noch eine echte Band waren. Schien die Chemie während der gemeinsamen Reise nach Indien dann im Frühjahr 1968 noch zu stimmen, taten sich bei den Sessions zum „Weißen Album“ schon tiefe Gräben vor allem zwischen den beiden dominierenden Songschreibern auf. Die Gründe dafür waren vielschichtig, aber einer hieß definitiv Yoko. Die Zeit für Freundschaftsdienste in der Art von „With A Little Help...“ war abgelaufen.
Teil der Aura von „Sgt. Pepper“ sind schon die Diskussionen um die genaue Datierung. Fast überall liest man, daß die Aufnahmen am 24. November 1966 begannen. An jenem Tag wurde der erste Take von „Strawberry Fields Forever“ eingespielt. Zwar für das neue Album gedacht, war der Song jedoch letztendlich gar nicht darauf enthalten. Das Datum ist also mit Vorsicht zu genießen. Am 6. Dezember wurden dann mit den basic tracks für „When I'm Sixty-Four“ erstmals Töne aufgenommen, die zumindest teilweise auch auf dem Endprodukt zu hören waren. Teilweise? Charakteristisch für die Studioarbeit der Beatles zu jener Zeit war, daß man erst einmal das instrumentale Grundgerüst errichtete, bevor dann diverse Overdubs und der Gesang hinzu kamen. Dann wurde alles wieder zerlegt, und aus unterschiedlichsten Aufnahmeschnipseln neu zusammengesetzt. Nur ausgemachte Freaks können heute sagen, welche Passagen auf „Sgt. Pepper“ wann genau entstanden sind. Und auch die sind sich nicht einig. Das Stück, das man noch am ehesten als „in einem Rutsch“ entstanden bezeichnen könnte, war George Harrisons stark indisch angehauchtes „Within You Without You“. Allerdings war er der einzige Beatle, der darauf überhaupt mitspielte. Vielleicht ist ja gerade das der Grund, daß es, bis auf die hinzugefügten Streicher und ein paar Soloeinlagen Harrisons an Sitar und Akustikgitarre, mit dem geringsten Aufwand an Nachbearbeitung auskam. Das Abmischen, erst in Mono, später in Stereo, war dann prinzipiell noch einmal eine ungeheuer zeitaufwendige Angelegenheit. Für Leute, die alles ganz genau wissen wollen, gibt es mit Mark Lewisohns „The Beatles: Recording Sessions“ (EMI Records Limited, 1988) ein scheinbar unbestechliches und in jedem Fall faszinierendes Nachschlagewerk über die Jahre in den Abbey Road Studios (1962-1970). Für den 10. Februar 1967 liest man da zum Beispiel: „Recording: 'A Day In The Life' (tape reduction take 6 into take 7, SI onto take 7, reduction of take 7 with SI onto take 6, edit piece takes 8-11)“. Alles klar? Mit „SI“ ist übrigens „Superimposition“ gemeint, also Overdubs. Diese Session, die ich schon bei Donovan erwähnt habe, und bei der lediglich Streicher und Bläser aufgenommen wurden, wird dann noch in aller Ausführlichkeit beschrieben. Paul McCartney hatte sich 90 Orchestermusiker gewünscht, sich aber auf 40 herunterhandeln lassen. Die saßen nun alle in ihrer besten Bühnengarderobe und mit putzigen Brillen und roten Clownsnasen versehen im Studio One der Abbey Road Studios (die meisten Aufnahmen entstanden jedoch in Studio Two), um ihren Job zu machen. In dem ganzen Chaos bewegten sich auch noch Kameraleute, um den Spaß für youtube mitzuschneiden. Na ja, darauf lief es zumindest hinaus, als sich die BBC weigerte, den Clip wegen des „drogenlastigen“ Songtextes zu zeigen. Auch erfährt man von den Problemen, die Tonmann Ken Townsend mit der Umsetzung von George Martins Wunsch hatte, zwei Vierspur-Bandmaschinen synchron laufen zu lassen. Eine Achtspur-Maschine kam dann erstmals während der Sessions zum „Weißen Album“ zum Einsatz. Überhaupt verrät das Buch eine Menge von den innovativen Ideen der Beatles und den revolutionären technischen Tricks und Spielereien, die das Album zu dem machten, was es heute ist. Das beginnt beim erstmaligen Einsatz eines Mellotrons (für „Strawberry Fields“ gespielt von McCartney) und geht über das Zusammenlegen verschiedener Spuren zu einer, die dann wieder mit anderen gemischt wurde, das Rückwärtsabspielen einzelner Passagen, „direct input“, also das Aufnehmen von Pauls Bass direkt über das Mischpult, sogenanntes double tracking, die Verwendung von Soundschnipseln aus dem Archiv (für das Titelstück) bis hin zum rätselhaften Gebrabbel in der Auslaufrille.
Am 21. März 1967 kam es zu einer Begegnung, die man heute als „Gipfeltreffen“ bezeichnen würde, die damals jedoch lediglich eine nette Geste darstellte. Im Studio 3 waren an diesem Tag The Pink Floyd zugange, um ihr Debütalbum einzuspielen. Produzent Norman Smith hatte bis einschließlich „Rubber Soul“ eng mit den Beatles zusammengearbeitet und stellte die kurze Verbindung dar. McCartney kannte die Band außerdem aus dem UFO-Club und ging gemeinsam mit Ringo und George Harrison nach nebenan, um „Hallo“ zu sagen. Die Jungs von Pink Floyd waren verschüchtert aber hocherfreut. Und als Paul später der Presse erzählte, „The Piper At The Gates Of Dawn“ wäre ein Knaller, war das die beste Werbung, die man sich vorstellen konnte. Mark Lewisohn erzählt die Geschichte in seinem Buch übrigens genau anders herum. In seiner Erinnerung schauten Pink Floyd, angeführt von Norman Smith, bei den Beatles vorbei. Die erste Version, erzählt von Barry Miles, der persönlich dabei war, und bestätigt von Roger Waters scheint mir aber die wahrscheinlichere. Natürlich ist das sowieso egal, zeigt aber, wie selbst bei hochangesehenen „Geschichtsschreibern“ die Erinnerungen gelegentlich verschiedene Wege gehen können.
Einigkeit unter den Experten herrscht hingegen beim 9. Februar. Die Beatles wurden für gewöhnlich ja erst zu vorgerückter Stunde so richtig aktiv. Und die EMI ließ ihren Goldeseln natürlich sämtliche Freiheiten. Doch an jenem Abend waren die firmeneigenen Studios komplett ausgebucht, so daß man sich für die basic tracks von „Fixing A Hole“ (diesmal inklusive Gesang) nach einer Alternative umsehen mußte. Zum ersten Mal seit den Demos für Decca (1. Januar 1962), also seit mehr als fünf Jahren, nahm man nicht in der Abbey Road auf. Die Wahl fiel auf das kleine aber unabhängige Regent Sound Studio in der Denmark Street. Dort hatten 1964 die Rolling Stones ihr Debüt eingespielt, und auch Black Sabbath und Genesis sollten später dort ihre ersten Alben aufnehmen. Da George Martin inzwischen als selbständiger Produzent agierte, war sein Mitwirken kein Problem. Den Toningenieuren und -technikern war jedoch als Angestellten der EMI die Arbeit in fremden Studios untersagt. Also übernahm Adrian Ibbetson, Chefingenieur vor Ort, für eine Nacht die Rolle des Aufnahmeleiters. Mit einem nochmaligen Verweis auf Mark Lewisohns Standardwerk verlasse ich das sichere Parkett verbürgter Informationen und begebe mich ins Reich der Spekulation.
Ohne „Pet Sounds“ hätte es „Sgt. Pepper“ so nicht gegeben. Das Opus magnum der Beach Boys erschien im Mai 1966 und war in England erfolgreicher als in Amerika. Auch die britische Presse überschlug sich und feierte das Album als revolutionär. Drei Monate später ging „Revolver“ an den Start, und wieder wurde das Wort „revolutionär“ in den Mund genommen. Doch die Beatles selbst spürten, daß es im direkten Vergleich höchstens für ein Unentschieden reichte. Für die eigenen Ansprüche war das zu wenig. „Pet Sounds“ war in höchstem Maße innovativ. Soundeffekte (u.a. Tierstimmen und Cola-Dosen) und ungewöhnliche Instrumente (Harpsichord, Theremin) wurden in gewohnt melodiöse Stücke eingeflochten, klassische Streicher fidelten Avantgardistisches und der Begriff „Konzeptalbum“ begann bald die Runde zu machen. Zwar meinte Brian Wilson später, daß das Konzept weniger in den Songs oder den Texten lag, sondern es sich vielmehr um ein „production concept album“ handelte, aber die Beatles wußten bereits, in welche Richtung sich ihr nächstes Werk bewegen sollte, ja mußte. Der ursprüngliche Plan war, eine Reihe von Songs zu schreiben, die die Kindheit und Jugend in Liverpool thematisierten. Als aber ausgerechnet mit „Strawberry Fields Forever“ und „Penny Lane“ die zwei Songs, die den Liverpool-Bezug schon im Namen führten, auf einer verschwenderischen Single verbraten wurden, weil die EMI mit strenger Miene daran erinnerte, daß die Veröffentlichung der letzten mehr als ein halbes Jahr zurücklag, kam das Konzept ins Straucheln. Warum die beiden Songs später nicht trotzdem für das Album verwendet wurden, ist mir allerdings ein Rätsel. Jedenfalls hatten dann „Within You Without You“, „With A Little Help From My Friends“ oder „When I'm Sixty-Four“, das Paul bereits als Teenager schrieb und nur wieder hervorgekramte, weil sein Vater im Vorjahr das magische Alter erreicht hatte, recht wenig mit dem eigentlichen Ansatz zu tun. Und so reifte die Idee von der Tanzkapelle, die zum 20-jährigen Jubiläum ihr Publikum noch einmal auf besondere Art beglückt. Als Klammer sollte der zweigeteilte Titelsong dienen. Allerdings war nach dem pompösen, fast eine Minute andauernden Schlußakkord von „A Day In The Life“ allen schnell klar, daß danach nichts mehr kommen konnte. Jedenfalls nichts Sinnvolles. Also wurde die „Sgt. Pepper“-Reprise vorgezogen, womit die Sache mit der Klammer auch nicht mehr so richtig funktionierte. Um trotzdem den Zusammenhang der einzelnen Songs zu verdeutlichen, kürzte man die üblichen Pausen zwischen den Stücken auf ein Minimum. Aber egal, ob es sich nun um ein Konzeptalbum handelt, oder nicht, gemeinsam mit „Pet Sounds“ wurde „Sgt. Pepper“ zur Hauptinspiration und zum Wegweiser für so ziemlich alles, was an Werken ambitionierter bis überambitionierter Rockmusik noch kommen sollte. Ob man dafür dankbar sein soll, steht auf einem anderen Blatt. Angeblich wurde aus der Ecke der Beach Boys das Handtuch geworfen, nachdem Paul McCartney im April 1967 in den USA Brian Wilson eine frühe Version der neuen Beatles-LP vorgespielt hatte. Was auch immer nun der tatsächliche Grund gewesen sein mag, „Smile“ blieb unveröffentlicht.
Zu jener Zeit bewegten sich die üblichen Kosten für die Gestaltung eines LP-Covers in England zwischen 25 (für Neulinge) und 75 Pfund (für Top Acts). Für „Sgt. Pepper“ beliefen sie sich jedoch auf gewaltige 2.800 Pfund. Dabei stellte der Maler Peter Blake, der die lebensgroßen Pappaufsteller fertigte, gerade einmal 200 Pfund in Rechnung. Weniger zurückhaltend waren da schon Michael Cooper, der Fotograf, und Designer Robert Fraser, die immerhin zusammen 1.500 Pfund einstrichen. Aber womöglich mußte Cooper auch eine stattliche Summe dafür aufwenden, daß sein Sohn das Sweatshirt mit dem „Welcome The Rolling Stones“-Aufdruck herausrückte, das man für das Foto einer Shirley-Temple-Puppe überstreifte. War es diese augenzwinkernde Geste, die ihm kurz darauf den Auftrag für „Their Satanic Majesties Request“ einbrachte?
Auf dem Frontcover sind mehr als 50 prominente Personen abgebildet. Wer genau, ist überall nachzulesen. John Lennons Vorschlag, auch Jesus, Hitler und Gandhi abzulichten, wurde nicht umgesetzt. Nur der indische Pazifist kam aufs Foto, wurde aber nach Intervention der EMI wieder entfernt, weil man annahm, daß man sich in Indien weigern würde, das Cover überhaupt herzustellen. Da Manager Brian Epstein Probleme mit den noch lebenden Kandidaten fürchtete, wies er sein Büro an, jeden brieflich um sein Einverständnis zu bitten. Mae West (ganz hinten die Dritte von links) lehnte ab, was ihr einen persönlichen Brief der Beatles einbrachte. Wer ließe sich da nicht umstimmen? Als der Schauspieler Leo Gorcey $400.- verlangte, wurde auch sein Foto entfernt. Und dann sind da noch drei versteckte Figuren. Auf unveröffentlichten Schnappschüssen von der Fotosession am 30. März 1967, auf denen die Beatles selbst weiter auseinander stehen, sind noch Aufsteller der Schauspieler Timothy Carey und Bette Davis sowie Albert Einsteins zu sehen. Auf dem endgültigen Foto verdeckt George Harrison die ersten beiden, während John Lennon genau vor Einstein steht. Allerdings ist er etwas zu klein, so daß man links über seiner Schulter noch Einsteins berühmte Sturmfrisur erkennt.
Bei all dem betriebenen Aufwand war es naheliegend, „Sgt. Pepper“ ein Klappcover zu spendieren. Nur in Ländern wie Chile, Ecuador, Bolivien, Uruguay, Peru, Venezuela und Kolumbien, aber auch Israel, Neuseeland, Südafrika oder Jugoslawien scheute man Kosten und Mühen einer solch noblen Verpackung und veröffentlichte in normalen Hüllen. Dabei fielen dann auch gelegentlich die erstmals auf einem LP-Cover abgedruckten Songtexte unter den Tisch. Den Vogel in Sachen Covergestaltung schossen aber wieder einmal die bereits bei den Traveling Wilburys erwähnten Macher von AnTrop in Russland ab. Ohnehin in einem rechtsfreien Raum agierend, ersetzte Designer Nikolai Kibalchich diesmal einfach Karl Marx durch den legendären russischen Beatles-Fan Kolya Vasin. Und auch Labelchef Andrei Tropillo ließ sich verewigen, in der letzten Reihe zwischen Edgar Allan Poe und Fred Astaire. Doch das zweifellos seltenste Cover entstand bereits Ende 1967, als Capitol Records, die amerikanische Plattenfirma der Beatles, es wohl für legitim hielt, den immensen kommerziellen Erfolg der Platte in den USA (15 Wochen Nummer 1 und 2,5 Millionen verkaufte Einheiten in den ersten drei Monaten) damit zu feiern, daß man viele der Köpfe auf dem Foto durch die von Mitarbeitern der Verkaufsabteilung ersetzte und das Resultat intern verteilte. Nicht einmal vor den vier Beatles machte man halt! Marlene Dietrich und Bob Dylan gehörten zu den wenigen „Überlebenden“. Ein Rest von Respekt war offensichtlich auch im Rausch noch vorhanden. Von diesem sogenannten „doctored sleeve“ wurden geschätzt höchstens 100 Exemplare gefertigt. Als 2013 zum ersten Mal eins bei einer Auktion auftauchte, waren am Ende $32.500 fällig. Das ist allerdings nichts gegen die im selben Haus (Heritage Auctions of Texas) versteigerte und von allen Vieren signierte Ausgabe (englische Mono), die kurz zuvor $290.500 einbrachte. Selbst der kaum zu erkennende Papp-Gartenzwerg (halbrechts über der Statue, zu Füßen Marlene Dietrichs) wurde im letzten Jahr für $42.000 verkauft. Natürlich war auch er auf der Rückseite komplett signiert.
Nur logisch, daß auch die Covergestaltung unzählige Nachahmer auf den Plan rief. Läuft Frank Zappas „We're Only In It For The Money“ noch wie erwartet unter Parodie, wird es zum Beispiel beim 1977er Tribute-Album des japanischen Synthesizer-Pioniers Jun Fukamachi schon origineller. Alle Protagonisten, außer der Monroe und dem Künstler selbst, sind auf dem Cover von hinten zu sehen. Und auf dem Sweatshirt steht jetzt „Good Bye Rolling Stones“. Nur ist das enthaltene Geklimper recht langweilig. Auf der Platte zu ihrem 20-jährigen Bandjubiläum adaptierten die Bläck Fööss 1990 ebenfalls „Sgt. Pepper“. Sämtliche Figuren wurden durch kölsche Lokal-Prominenz ersetzt, von Konrad Adenauer und Willy Millowitsch über Toni Schumacher bis zu Böll und Niedecken in der originalen Dylan-Position. Da hat sich wohl jemand einen Traum erfüllt. Hätte ich genauso gemacht.
Damit wären wir dann endgültig in der Sammlerecke angekommen. Die derzeit gesuchteste „normale“ Ausgabe stammt überraschend aus dem Jahr 1984. Sie war nicht im Handel erhältlich, sondern mußte schriftlich bei den englischen Fachmagazinen „Practical Hi-Fi“ oder „Hi-Fi Today“ bestellt werden. Hergestellt wurde diese, von den Originalbändern mit Röhrentechnik gemasterte Pressung von der walisischen Firma Nimbus Records (Nimbus Supercut), die etwa zur gleichen Zeit das erste CD-Presswerk Großbritanniens eröffnete. Dicht gefolgt wird diese sehr limitierte Ausgabe von der UHQR-Pressung von MFSL (MFQR 1-100, September 1982). Kurz darauf erschien dann bei MFSL die Box mit allen Original-LPs, wofür die Masterbänder erstmals die Abbey Road Studios verlassen hatten. Nur „Magical Mistery Tour“ wurde von einer US-Kopie gefertigt. Alle Platten gab es auch einzeln, „Sgt. Pepper“ jetzt als MFSL 1-100. Und natürlich wird ihr Klang gelobt, wozu ich mangels eigener Erfahrungen nichts sagen kann. Eine weitere Aufzählung all der Sonderausgaben in farbigem Vinyl, Picture Discs etc. erspare ich mir und Ihnen. Der ernsthafte Sammler – und davon soll es ja bei den Beatles ein paar geben – ist natürlich bestrebt, eine englische Erstpressung (Mono und Stereo) zu ergattern. Aber was heißt das in unserem Fall überhaupt?
Als offizielles Erscheinungsdatum für England wird der 1. Juni 1967 genannt. Doch schon am 21. Mai spielte die BBC das Album, nur ohne „A Day In The Life“, das wegen der Zeile „I'd love to turn you on“ prompt auf dem Index landete (die offensichtlicheren Anspielungen z.B. in „With A Little Help From My Friends“ wurden jedoch nicht moniert). Die damals sehr populären Piratensender zogen nach, und so befürchtete man wohl, daß illegale Mitschnitte in Umlauf geraten könnten, noch bevor die Platte überhaupt in den Läden stand. So kam es, daß erwiesenermaßen schon am 26. Mai einige Londoner Shops „Sgt. Pepper“ verkauften. Am 3. Juni ging es in die Charts, wo man eine Woche später für die kommenden 23 Wochen den Spitzenplatz behaupten sollte. Die frühen Ausgaben erschienen in Hüllen mit vier verschiedenen Druckvermerken auf der Rückseite. Unten rechts steht da entweder „Printed and made by Garrod & Lofthouse Ltd. Patents applied for“ (heute als Erstausgabe bezeichnet), „Printed and made by Garrod & Lofthouse Ltd. Patents pending“, nur „Printed and made by Garrod & Lofthouse Ltd.“ oder gar nichts. Diese Cover wurden von der E. J. Day Group gedruckt, weil Garrod & Lofthouse überlastet war. Sie werden heute als „wide spine“ bezeichnet und sind entsprechend teuer. Der breitere Rücken dieser Cover hatte aber lediglich produktionstechnische Ursachen. Selbstredend verfügten alle über die großzügigen Beilagen, also die „psychedelische“ pinkfarbene Innenhülle und den Bastelbogen. Aber auf die Cover komme ich nochmal zurück. Und natürlich sind wir noch immer bei den Original-Labels mit gelbem Parlophone-Schriftzug, darunter „Sold in U.K. ...“, der mit „The Gramophone Co. Ltd.“ beginnenden arcline sowie der Katalognummer PMC 7027 (Mono) bzw. PCS 7027 (Stereo, siehe Bildleiste). Die Matrixnummern, die von Verkäufern nur zu gern für den Beweis einer Erstpressung herangezogen werden, lauten XEX 637-1/638-1 (Mono) bzw. YEX 637-1/638-1. Das besagt allerdings noch gar nichts. Denn auch mehr als ein Jahr später hergestellte Nachpressungen (jetzt ohne „Sold in U.K. ...“-Schriftzug auf dem Label) haben noch diese Nummern. Die „-1“ zeigt in diesem Fall lediglich an, daß der erste sogenannte „Vater“, also die negative Kopie der Lackfolie, von dem dann die positiven „Mütter“ gezogen werden, verwendet wurde. Und bei diesen „Müttern“ wird es dann erstmals richtig interessant. Legt man den Standort der Matrixnummer in der Auslaufrille als 6-Uhr-Position fest, findet man die Nummer der „Mutter“ auf 9 Uhr. Im Fall meiner Pressung (mit der dritten Variante des Garrod & Lofthouse-Covers) sind das die „2“ (Seite 1) und die „1“ (Seite 2). Von den „Müttern“ werden die nun wieder negativen Preßmatrizen, „Söhne“ genannt, hergestellt. Bei Parlophone (und auch anderen EMI-Labels) wurden deren Nummern auf 3-Uhr-Position in einem Buchstabencode verschlüsselt. Wenn man den kennt, ist es ganz einfach. Grundlage ist die Folge „GRAMOPHLTD“. Denkt man sich jetzt die Zahlen von 1, 2, 3 ... bis 0 darunter, ist man wesentlich schlauer. Bei mir sind das „GAA“, also Matrize 133 bzw. „GRR“ (Seite 2), also Matrize 122. Warum ich Ihnen das alles überhaupt erzähle? Nun, von „Sgt. Pepper“ wurden allein in der ersten Juniwoche 1967 in England 250.000 Exemplare verkauft. Die wurden selbstverständlich nicht an einem einzigen Tag hergestellt. Da es sich um ein mit extremer Spannung erwartetes Album der Nationalhelden handelte, war man bei der EMI natürlich entsprechend vorbereitet und hatte „auf Halde“ produziert. Im Netz findet man zwei wundervolle Fotos, aufgenommen in der offenbar riesigen Halle der Verpackungsabteilung von EMI in Hayes, Middlesex. Darauf sieht man in langen Reihen sitzende Frauen in Kittelschürzen, die alle irgendwie wie meine alte Englischlehrerin aussehen. Vor den Frauen türmen sich Berge von Beatles-Platten, Covern und Innenhüllen. In einem Fall geht es um „A Hard Day's Night“ im anderen um „Rubber Soul“. Nur die gewaltigen Stapel sind identisch. Im Akkord mußten die Damen nun die LPs per Hand in die Innenhüllen und dann in die Cover schieben. War der Berg bewältigt, sorgte ein Hilfsarbeiter sofort für Nachschub. Und der war nun derjenige, der aus Sicht heutiger Sammler Gott spielte (also eben doch „würfelte“). Denn ihm war es völlig egal, welche Kiste er als nächste in die Halle schaffte, was auf der Rückseite der Cover stand und ob das noch irgendwie zu den Matrixnummern der Platten passte, die er gerade aus dem Lager buckelte. Es ging einzig und allein darum, ein paar hunderttausend LPs pünktlich auszuliefern.
Natürlich kommen solche Gedanken nur Leuten wie mir, deren „Sgt. Pepper“ weder über den „ … Patents applied for“-Druckvermerk noch eine extrem niedrige Matrizennummer verfügt. Aber stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten sich gleich am ersten Tag irgendwo in England wegen genau dieser Scheibe in die Schlange vor einem Plattenladen (den es längst nicht mehr gibt) eingereiht, nur um sich heute von einem interessierten Sammler oder dem Ankäufer eines dubiosen Internetanbieters nach kurzem Blick auf die beschriebenen Zahlen und Buchstaben sagen zu lassen, Sie hätten sich für eine minderwertige Nachpressung angestellt! Verrückt? Aber ziemlich wahrscheinlich.
Vielen Dank für Ihre Geduld, aber diese schon länger schlummernden Gedanken zum sensiblen Thema „Erstausgaben“ mußten an dieser Stelle endlich mal raus. Ob übrigens wirklich die letzte Platte, die mit der fast verschlissenen 116. Preßmatrize hergestellt wurde der ersten der neu eingesetzten 117. vorzuziehen ist, will ich jetzt nicht auch noch diskutieren. Pro Matrize wurden, je nach Qualitätsstandards, etwa 1.000 bis 2.000 Platten gepresst. So genau kann das niemand mehr sagen. Am Ende entschied sowieso der Mann an der Presse, wann gewechselt wurde.
Bevor wir nun endlich zum „shootout“ kommen, gebietet es die Chronistenpflicht, noch darauf hinzuweisen, daß „Sgt. Pepper“ das erste Beatles-Album war, das weltweit, also auch in Amerika, zeitnah und mit den gleichen Songs in identischer Reihenfolge erschien. Nur das, in Sachen Drogen besonders paranoide Singapur sorgte für eine Ausnahme. Man strich die vermeintlich jugendgefährdenden „With A Little Help From My Friends“, „Lucy In The Sky With Diamonds“ und „A Day In The Life“ und ersetzte sie durch drei ältere Songs, darunter „I Am The Walrus“ (die „pornographic priestess“ läßt schön grüßen)!
Und dann wären da noch die am heißesten diskutierten zwei Sekunden der Popgeschichte: der sogenannte „Sgt. Pepper's Inner Groove“ in der Auslaufrille der zweiten Seite. Davor hört man noch einen 15 kHz hohen Pfeifton. Nein, Sie hören den nicht wirklich, aber haben Sie einen Hund? Das folgende kurze Gebrabbel wurde seither von allen möglichen Seiten beleuchtet, ohne zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Das angeblich rückwärts abgespielt zu vernehmende „We'll fuck you like Superman“ scheint mir dem damaligen Humorverständnis der Beatles noch am ehesten zu entsprechen. In den USA fehlt dieser Gimmick leider bis heute. Da man ihn auch auf beiden MFSL-Pressungen vergeblich sucht, die ja immerhin von den Masterbändern abstammen, muß ich Vorsatz unterstellen. Damit brachten sich die Amerikaner jedoch um das Vergnügen, die längste Platte der Welt zu vertreiben. Denn wenn Sie nicht gerade einen etwas voreiligen automatischen Tonarmlift besitzen, spielt sie diese Passage theoretisch so lange, bis die Nadel oder das E-Werk den Dienst quittieren.
Angesichts der Tatsache, daß „Sgt. Pepper“, wie schon erwähnt, nicht mein favorisiertes Album der Liverpooler ist, verwundert es mich schon, daß jetzt hier sieben Stereo-Exemplare auf der Matte stehen. Tarnen wir es mal mit „Dienst am Kunden“.
Meine frühe englische Ausgabe (sagen wir grob aus dem Juni 1967) habe ich Ihnen ja schon ausführlich vorgestellt. Es ist ein analoges Vergnügen, diese transparente und sehr ausgewogene Platte zu hören! Alles paßt, die monatelange Frickelei macht sich nun bezahlt. Kleine Überraschungen lauern an jeder Ecke, auch noch beim zigsten Hören.
In Deutschland erschien das Album nur in Stereo (Odeon SHZE 401). Im Sommer 1964 war „Yeah! Yeah! Yeah! (A Hard Day's Night)“ das letzte reguläre Beatles-Werk, das hier auch in Mono veröffentlicht wurde. Auf dem weiß-rot-goldenen Label der allerersten Exemplare ist, wie schon bei „Revolver“, auf den Odeon-Dom ein schwarzes HörZu-Logo gedruckt. Das habe ich aber nur gelesen, gesehen habe ich diese Variante selbst noch nie. Von der kurz darauf folgenden Version mit zwei roten Logos rechts und links vom Dom besitze ich zwei Varianten, eine mit dem Wort „Bestell-Nr.“ über der Katalognummer und eine ohne. Wahrscheinlich existierten diese sogar zeitgleich. Klanglich macht das keinen Unterschied, deshalb zwei Bilder, aber nur eine Wertung. Und die fällt höchst erfreulich aus! Zum tollen Sound des englischen Originals gesellt sich hier noch eine deutlich vernehmbare Verbesserung der Räumlichkeit. Gerade „Within You Without You“ wird zur Offenbarung!
Ein paar Probleme habe ich bei der genauen Einordnung meiner holländischen LP (Parlophone PCS 7027). Das Label zeigt alle Erkennungsmerkmale einer 1967er Pressung (es existieren mehrere kleinere Varianten). Bei unseren Nachbarn war es damals noch üblich, die Cover aus England oder Deutschland zu importieren. So auch bei „Sgt. Pepper“ (inklusive der jeweiligen Beilagen). Die Hülle meiner Platte stammt nun aber von NV Interprint in Haarlem. Bislang konnte ich noch keine Fertigung von LP-Hüllen dieser Druckerei vor 1970 ausmachen. Zu diesem Zeitpunkt hatte „Sgt. Pepper“ in Holland aber schon eine neue Katalognummer. Bleibt vorerst nur die Theorie, daß „Restbestände“ mit der neuen Hülle (die aber noch die alte Nummer aufweist) verkauft wurden. Obwohl es irgendwie nicht passen will, datiere ich das Teil mal vorsichtig mit 1970. Holländische Beatles-Experten werden hiermit aufgefordert, sich helfend zu äußern! Ach so, der Bastelbogen ist „Printed in England“... Klanglich bewegt sie sich auf dem hohen Niveau der Engländerin.
Bei der nächsten Kandidatin wird es einfacher. SHZE 401 mit blauem EMI/Odeon-Label und neuem HörZu-Logo bedeutet: Deutschland 1973. In den Höhen ein wenig spitzer, klingt auch diese Scheibe noch hervorragend. Für den preisbewußten Hörer drängt sich hier eine geeignete Alternative in den Vordergrund.
Es folgt die erste, die ich besaß: Apple 1C 072-04 177. Das läßt auf eine deutsche Ausgabe von 1977 schließen. Jedoch befindet sie sich, schon ganz dem europäischen Gedanken folgend, in einer holländischen Hülle, die der Nummer nach von 1979 stammt. Gab es die so, oder hatte der Vorbesitzer hier die Finger im Spiel? Es ist nicht weiter wichtig, denn klanglich wurde jetzt ziemlich dick aufgetragen. Druck ist reichlich vorhanden, aber manchmal dröhnt der Bass doch recht unfein. Die berühmten zwei Sekunden sind hier zwar vorhanden, aber erstmals in dieser illustren Runde als normales Anhängsel auf der Platte. Danach wandert der Arm ungestört in Richtung Mitte. Die Beilagen sparte man sich übrigens.
Wohl kaum ein anderes Album wurde so oft wiederveröffentlicht, wie dieses. Das aktuellste mir vorliegende Exemplar stammt aus dem Jahr 2012, wiegt 180 Gramm (das englische Original liegt bei 142, die deutschen immerhin bei 150) und trägt die unromantische Nummer 5099969942617. Offiziell hergestellt in der EU, tippe ich mal auf eine deutsche Pressung. Das Cover ist in der Farbe eine Spur zu poppig geraten, aber die Beilagen wirken sehr authentisch. Außerdem gibt es noch ein großformatiges Faltblatt mit einem Vorwort McCartneys, Interviews und einer Übersicht über die Personen und Gegenstände auf dem Frontfoto. Sehr hübsch! Der Einfachheit halber wurde das CD-Mastering von Guy Massey und Steve Rooke aus dem Jahr 2009 übernommen. Das erscheint auf den ersten Blick sinnvoll, da für jede Veränderung des Ausgangsmaterials (und die stellt auch das sensibelste Remastering nun einmal dar) McCartney, Ringo sowie die Erben von Lennon und Harrison um ihr Einverständnis gebeten werden müssen. Da das 2009er Mastering von allen durchgewunken worden war, griff man für die LP halt wieder darauf zurück. Hat es sich gelohnt? Nun ja, es fällt mir nicht leicht, das einzugestehen, aber es klingt schon verdammt gut. Die Platte kommt mit breiter Brust, ohne zu protzen. Würde ich meine Originale dafür eintauschen? Nein! Warum? Weil sie nicht „swingt“. Eine Empfehlung gibt es trotzdem, schon allein, weil wir es auch hier, im Gegensatz zu vielen ihrer Vorgänger, endlich wieder mit der „Endlosschleife“ in der Auslaufrille zu tun haben. Für den Musikgenuß ist das zwar völlig unerheblich, aber das Kunstwerk „Sgt. Pepper“ ist ohne einfach unvollständig.
Abschließend noch eine persönliche Bemerkung zum Thema „Mono“, für so einige ja die einzig legitime Art, die Musik der Beatles zu hören. Die waren nach den Aufnahmen zu „Sgt. Pepper“ nur noch beim Erstellen des Mono-Mixes zugegen. Um die Stereo-Abmischung kümmerten sich dann in der Hauptsache George Martin, Geoff Emerick und Richard Lush. Schon das allein genügt manchen Leuten, der Stereo-Version die Daseinsberechtigung abzusprechen. Nun besitze ich von „Sgt. Pepper“ lediglich die US-Mono-Ausgabe (Capitol MAS-2653) und auch die nur, weil ein guter Freund sie doppelt hatte (nochmals vielen Dank). Natürlich ist vor allem auf den frühen Beatles-Alben die Kanaltrennung recht extrem, was den Genuß der Stereo-Pressungen doch beeinträchtigt und ein homogenes Klangbild gar nicht erst aufkommen läßt. Mono ist da auch für mich die bessere Option. Aber gerade bei „Sgt. Pepper“ und den noch folgenden LPs kann vom berüchtigten Ping-Pong-Stereo kaum noch die Rede sein. Die Mono-Version hat vielleicht etwas mehr Punch. Auch gibt es ein paar kleinere Unterschiede wie das Echo beim Gesang auf „Lucy In The Sky“ oder die auffällig flottere Gangart von „She's Leaving Home“. Geschenkt. Dafür bietet der Stereo-Mix massenhaft tolle Effekte, eine natürliche Räumlichkeit und jede Menge Spaß, was ich wirklich nicht missen möchte. Oder würden Sie „The Dark Side Of The Moon“ lieber in Mono hören wollen? Ich auch nicht.
Es ist Ihnen sicher aufgefallen, daß das der mit Abstand längste Beitrag war, seit ich hier über Schallplatten schreibe. Und nun ahnen Sie vielleicht auch, wieso ich um Platten dieses Kalibers gerne einen Bogen mache. Es gilt permanent abzuwägen, welche der unzähligen kursierenden Behauptungen wahr und welche eher unwahrscheinlich ist. Was ist wichtig und was nicht? Was könnte die Leser interessieren, was langweilen? Und was wollte ich schon immer mal loswerden? Ich kann nur hoffen, die richtige Balance gefunden zu haben. „Sgt. Pepper“ werde ich übrigens eine Weile erst mal nicht mehr hören. Wenn ich sie dann irgendwann wieder auflege, ist eines aber schon jetzt gewiß: „A splendid time is guaranteed for all“!
Musik: 9,0
Klang: 9,0 (England, 1967)
Klang: 9,5 (Deutschland, 1967)
Klang: 9,0 (Holland, 1967)
Klang: 8,5 (Deutschland, 1973)
Klang: 8,0 (Deutschland, 1977)
Klang: 9,0 (Europa, 2012)
Ronald Born, Januar 2016