Elvis Presley – Elvis Is Back! (1960)

 

Über einen Klassiker wie „Elvis Is Back!“ zu schreiben, verspricht in etwa so spannend zu werden wie die alljährliche Wiederholung vom „Schatz im Silbersee“. Das Problem bei den sogenannten collectable artists, also neben Elvis auch Künstlern wie Bob Dylan, David Bowie und Bruce Springsteen oder Bands wie den Beatles, Rolling Stones oder Pink Floyd, ist, daß neben offiziellen Websites noch unzählige weitere Nachschlagewerke (ob in Buchform oder im Netz) existieren, in denen bis in den letzten Winkel alles ausgeleuchtet wurde, was auch nur im Entferntesten mit dem jeweiligen Subjekt der Verehrung zu tun hat. Da aber gerade diese LP, zusammen mit Elvis' ersten beiden sowie „Pot Luck“, ständig um den Spitzenplatz in meiner Gunst rangelt und immer öfter die Nase vorn hat (kurz: sie ist meine Lieblingsplatte von ihm), will ich ihr hier natürlich auch die gebührende Ehre erweisen.

 

Das Musikgeschäft war damals noch längst nicht so schnelllebig wie heute. Aber es bestanden berechtigte Zweifel, ob ein vormaliger Publikumsliebling nach zweijährigem Armeedienst nicht doch in Vergessenheit geraten sein könnte. Natürlich hatten seine Plattenfirma RCA und sein Manager Colonel Parker alles unternommen, um während Elvis' Abwesenheit die Fans bei der Stange zu halten. So wurden in weiser Voraussicht produzierte Filme („King Creole“), LPs („For LP Fans Only“, „A Date With Elvis“) und Singles wie „Hard Headed Woman“, „A Fool Such As I“ oder „A Big Hunk O' Love“ veröffentlicht und unzählige Zeitungsartikel und Reportagen über seinen Militärdienst in Umlauf gebracht. Aber würde das ausreichen, das Interesse am, im fernen Deutschland stationierten Star wachzuhalten? Und eine weitere Frage trieb die Verantwortlichen um: in welcher Verfassung würde er zurückkehren? Am 1. März 1960 wurde noch eine Pressekonferenz abgehalten, und einen Tag später flog Presley vom Rhein-Main-Flughafen mit Zwischenstopp in Schottland nach Fort Dix, New Jersey, wo die Maschine in einem Schneesturm landete. Am 7. März kam er mit seiner gesamten Entourage (wieder im Schneesturm) in Memphis an, wo am Nachmittag eine weitere Pressekonferenz folgte.

 

Für den 20. März hatte man das RCA Studio B in Nashville gemietet, um die Probe aufs Exempel zu machen. Begleitet wurde Elvis hauptsächlich von seinen bewährten Mitstreitern Scotty Moore (Gitarre), D.J. Fontana (Schlagzeug), Floyd Cramer (Klavier), Bob Moore (Bass) und den Jordanaires. Es wurde erstmals in Stereo aufgenommen, für den Gesang verwendete man ein Röhrenmikrofon von Telefunken, und überhaupt lief alles wie am Schnürchen. Sechs Stücke hatte man am Ende im Kasten. „Stuck On You“ sowie „Fame And Fortune“ wurden ausgewählt und erschienen bereits am 23. März (!) als neue Single. Ende April wurde dann die Spitze der Hitparade erreicht. Elvis Presley war endgültig zurück!

Am 26. März trat Elvis in der von Timex gesponserten „Frank Sinatra's Welcome Home Party For Elvis Presley“ auf. Die Show wurde am 12. Mai im Fernsehen gezeigt. Colonel Parker hatte den Deal, für den Presley eine höhere Gage einstrich als Sinatra, bereits 1959 eingefädelt. Elvis sang die zwei Songs seiner neuen Single sowie Sinatras „Witchcraft“, während der sich mit „Love Me Tender“ revanchierte. Der erste Fernsehauftritt seit drei Jahren wurde zu einem gewaltigen Medienereignis und Publikumserfolg.

 

Eine Woche später, am 3. April, fand man sich erneut im Studio in Nashville ein, nun verstärkt durch Boots Randolph am Saxophon. An diesem und am folgenden Tag wurden alle Stücke für das neue Album sowie zwei weitere Singles eingespielt. „It's Now Or Never / A Mess Of Blues“ erschien im Juli, „Are You Lonesome Tonight / I Gotta Know“ dann im November. Beide Singles erreichten in den USA ebenfalls Platz 1 der Charts, und auch die B-Seiten konnten sich in den Top-40 platzieren. Das war möglich, da in den Billboard-Charts Lieder und nicht Tonträger gelistet wurden. Man kennt das Phänomen auch von amerikanischen Singles der Beatles. Die B-Seiten profitierten also im gleichen Maße von den Verkaufszahlen wie die A-Seiten. Die unterschiedliche Platzierung ergab sich dann durch den Einsatz im Radio, da auch das Airplay anteilig einberechnet wurde. Dem Radio-DJ kam dabei natürlich eine Schlüsselrolle zu. Er konnte maßgeblich über Erfolg oder Mißerfolg einer Single mitentscheiden, was der Korruption Tür und Tor öffnete. Das Thema kochte Anfang 1959 mit dem sogenannten Payola-Skandal gewaltig hoch, wurde aber nach der Verurteilung einiger DJs wieder zu den Akten gelegt.

 

In den 50er und frühen 60er Jahren war die Langspielplatte in der Popmusik eher für die Zweitverwertung von mehr oder weniger erfolgreichen Singles gedacht. Aufgefüllt wurde mit Stücken, die von Aufnahmesessions übrig geblieben waren oder einfach irgendwie vertan werden mußten, und sei es, weil man irgendjemandem in der Branche noch einen Gefallen schuldete. Doch diesmal ging man völlig anders vor. Die Singles wurden separat veröffentlicht und deren Songs fanden sich nicht auf der LP. Diese erschien am 8. April, also bereits vier Tage nach der letzten Session und zwei Wochen nach der ersten Single. Das Klappcover zeigt Elvis auf der Rückseite noch in Uniform, und im Inneren des Covers sind 15 Fotos abgebildet, die den berühmten G. I. unter anderem als Funker, Panzerfahrer, einfachen Infanteristen und Discjockey zeigen. Man mußte nach seiner Entlassung glatt um die Handlungsfähigkeit der Army fürchten. Welche Titel enthalten waren, konnte man lediglich einem großen gelben Sticker auf der Vorderseite der Hülle entnehmen.

 

Wer nun ein pures Rock 'n' Roll-Album erwartet hatte, erlebte eine Enttäuschung. Alle anderen wurden jedoch mit einer stilistisch sehr breit gefächerten Platte überrascht. Es fanden sich Einflüsse von Doo Wop und Country, Gospel und Pop, natürlich auch Rock 'n' Roll sowie eine ordentliche Portion Blues. Und Elvis fand für alles die jeweils passende Stimme, die inzwischen irgendwie erwachsener und kontrollierter klang. Egal, ob Dramatik oder eine gewisse Verruchtheit gefragt waren, leichter Schmelz oder pure Kraft, der Künstler hinterließ nach jedem Stück den Eindruck, bisher nie etwas anderes gesungen zu haben. Für den perfekten Rahmen sorgten seine bekanntermaßen erstklassigen Begleitmusiker und die stilsicheren Jordanaires.

 

Auch bei der Auswahl der Songs setzte man auf bewährte Autoren. So stammten „Make Me Know It“ und „Fever“ aus der Feder von Otis Blackwell (bei letzterem unter dem Pseudonym John Davenport), der schon „Don't Be Cruel“ und „All Shook Up“ verfasst hatte, „Dirty, Dirty Feeling“ steuerte das Duo Jerry Leiber und Mike Stoller („Hound Dog“, „Jailhouse Rock“) bei und „Thrill Of Your Love“ schrieb Stan Kesler, der Elvis schon 1955 mit „I Forgot To Remember To Forget“ seinen ersten landesweiten Hit beschert hatte. Schließlich brachte sich der Schöpfer von „Money Honey“ und „Shake, Rattle And Roll“, Jesse Stone, mit dem bluesigen „Like A Baby“ ein. So ziemlich alles an dieser LP war erstklassig. Kein einziger Song enttäuschte, „Fever“ und „Reconsider Baby“ sind die absoluten Höhepunkte, womöglich sogar in Elvis' gesamter Karriere. Als Produzenten fungierten Chet Atkins und Stephen H. Sholes, der sowohl Atkins entdeckt, als auch Presley für RCA unter Vertrag genommen hatte. Dem Duo gelang ein absolut natürlicher, warmer und räumlicher Sound, die Musik wirkte sehr organisch und bot eine ideale Plattform für den perfekt eingefangenen Gesang. Den Rest besorgten die versierten RCA-Ingenieure.

 

Elvis Is Back!“ stieg bis auf den zweiten Platz der US-Charts, in England kam es sogar an die Spitze. Die Platte erschien mehr oder weniger in der gesamten westlichen Welt und wurde unzählige Male wiederveröffentlicht. Sogar auf Kuba war sie (als „Elvis Regresa“), wohl als eine der letzten Scheiben vor dem US-Embargo, erhältlich. Ich selbst habe drei verschiedene Exemplare im Regal. Da wäre zum einen eine französische Pressung (RCA 740.663) von 1971. In Frankreich findet man oft auf der Rückseite der Hülle neben dem Vermerk, wo diese gedruckt wurde, auch ein Datum, in diesem Fall „4-71“. Der französische Titel „La Retour d'Elvis“ steht nur auf den Labels. Meine deutsche Pressung (RCA 26.21015) ist aus dem Jahr 1980, hat aber das „Living Stereo“-Logo auf dem Frontcover. Beide Platten verfügen nur über eine einfache Hülle ohne Sticker, so daß die Titelangaben ebenfalls nur auf den Labels zu finden sind. Etwas ausführlicher muß ich auf die amerikanische DCC-Ausgabe (DCC LPZ-2037) eingehen. Hier wurde das Originalcover nachempfunden. Allerdings gibt es davon mindestens zwei Varianten. Auf meiner (No.3821) steht „Soldier Boy“ fälschlicherweise als letzter Titel der ersten Seite auf der Coverrückseite. Es gibt aber auch eine korrekte Version. Das Mastering wurde 1997 von Steve Hoffman besorgt, Kevin Gray war der zuständige Ingenieur. Gepresst wurde die Platte bei RTI in Camarillo. „180+“ stimmt als Gewichtsangabe nicht ganz. Meine Platte wiegt 173 Gramm. Da die Abweichung jedoch unter 10% liegt, will ich mal nicht so pingelig sein. Die französische schlägt übrigens mit 134 Gramm zu Buche, die deutsche mit damals leider üblichen 118 Gramm. Bei Steve Hoffmans Remastering wurden „Such A Night“ noch ein paar mißglückte Startversuche von der Aufnahmesession vorangestellt, so daß sich die Laufzeit des Tracks (und also auch des Albums) um fast eine Minute verlängert. Da es die hochgelobte Firma DCC aus Kalifornien leider nicht mehr gibt, haben sich deren Wiederauflagen, vor allem von Klassikern der Doors, Nat King Coles, von Jethro Tull und eben auch Elvis, zum Teil dramatisch verteuert. Inzwischen sind Platten von DCC wegen ihrer herausragenden Eigenschaften sogar an sich zu speziellen Sammelobjekten geworden. Dafür sind die beiden erstgenannten Pressungen relativ leicht und auch günstig aufzutreiben.

 

Allen gemein ist, wie von den Produzenten beabsichtigt, ein sehr natürlicher und warmer Klang. Egal, welche ich nun auflege, ich freue mich schon immer vorher auf „Fever“. Es ist einfach eine Freude, dieses spartanisch wie genial arrangierte Meisterwerk zu hören. Und an ihm lassen sich die klanglichen Unterschiede der drei Probanden auch schon festmachen. Die französische Ausgabe hat gegenüber der deutschen ein etwas aufgehellteres Klangbild, Details werden deutlicher herausgearbeitet. Ist das der Grund, warum hier zum Beispiel der Bass weniger differenziert erscheint? Mit solchen kleinen Schönheitsfehlern muß sich die DCC-Platte nicht herumschlagen. Das dezente Remastering läßt alles noch eine Spur natürlicher erscheinen, der Gesang (auch der der Jordanaires) wirkt noch präsenter und freier, jedes Instrument ist klar definiert. Elvis bekommt eine tiefe Bühne hingestellt. Die Pressqualität ist über jeden Zweifel erhaben. Tolle Scheibe!

 

Auf zwei weitere Wiederveröffentlichungen, die mir aber (noch) nicht vorliegen, möchte ich noch aufmerksam machen. 2005 erschien die LP auch bei Speakers Corner (LSP-2231, 180 Gramm). Die Norddeutschen verwendeten ebenfalls das Mastering von Steve Hoffman. Gepresst wurde bei Pallas in Diepholz, so daß man diese Platte schon fast ungehört empfehlen kann (zumal sie weit günstiger zu haben ist, als die von DCC). Nicht wirklich ein Schnäppchen ist hingegen die Ausgabe von Analogue Productions (AAPP-2231-45, 2010). Dafür kommt die als Doppelalbum mit 45 RPM und ebenfalls jeweils 180 Gramm. Das Remastering besorgte hier der legendäre, 2012 verstorbene, George Marino. Klingt sehr spannend, zumal mich alles, was ich bisher von der Firma aus Kansas zu hören bekam, wirklich überzeugt hat.

Seien Sie vorsichtig, wenn Sie RCA-Scheiben waschen. Einige der orangefarbenen Label sind nicht wasserfest (siehe Scan)!


Nachtrag (Oktober 2014): Im letzten Jahr veröffentlichte auch Wax Time Records aus Barcelona, eine Firma, die sich offensichtlich in den Grauzonen des Urheberrechts ganz gut auskennt, ihre Version von "Elvis Is Back!" (771822, 180 Gramm). Im Gegensatz zu den meisten anderen Produkten des Hauses wurde ein völlig neu gestaltetes Cover verwendet. Hingegen an der Tagesordnung bei den Spaniern ist das Hinzufügen von Bonustracks, was bei CDs noch angehen mag, bei Vinylreproduktionen aber grenzwertig ist. Na wenigstens handelt es sich hier nicht um skurrile Stücke ohne erkennbaren Bezug, sondern vier der sechs Singletracks. Lediglich "Fame And Fortune" und "Are You Lonesome Tonight" fehlen. Die Verwendung der Masterbänder kann man natürlich nicht erwarten. Eher klingt es nach einer digitalen Quelle. Die sehr gute Fertigung und ein fairer Preis sprechen jedoch für sich.

 

 

Musik: 8,5

Klang: 8,0 (Frankreich, 1971)

Klang: 8,0 (Deutschland, 1980)

Klang: 9,0 (USA, 1997)

 

Ronald Born, Juni 2013