Cat Stevens – Mona Bone Jakon (1970)


In den bisher 49 Rezensionen brachte ich Ihnen insgesamt 143 LPs aus meiner Sammlung näher. Für das anstehende Jubiläum habe ich eine Platte ausgewählt, von der ich über so viele verschiedene Exemplare verfüge, wie sonst nur von „Desire“ und „Tea For The Tillerman“. Es wird also etwas ausführlicher! Im Gegensatz zu den Genannten verbindet mich mit „Mona Bone Jakon“ jedoch keine Liebe auf den ersten Blick. Das lag einerseits daran, daß sich darauf nur ein einziger Song befindet, der heute zu Stevens' großen Klassikern zählt, und andererseits an der eher lausigen Pressung, die jahrelang ein Außenseiterdasein in meinem Bestand führte. Erst nach und nach, mit dem Eintrudeln immer besserer Ausgaben, wurde auch das Hören mehr und mehr zu einem wirklichen Vergnügen. Und mit jedem Mal begannen die Songs, heller zu leuchten, mehr von ihrer manchmal eigentümlichen Schönheit preiszugeben, bis ich mich letztendlich doch noch in die Platte verliebte. Das war natürlich ein sehr langwieriger Prozess. Allen, die dem Album bisher mit lediglich wohlwollendem Desinteresse gegenüberstanden, kann ich hier nun eine enorm zeitsparende Abkürzung anbieten.


Vor gut anderthalb Jahren habe ich bei der Besprechung von „Matthew & Son“ schon kurz erwähnt, wann mein Interesse für die Musik von Cat Stevens erwachte. Da hatte er gerade seine Karriere im Showgeschäft an den Nagel gehängt. Aber da uns damals diesbezügliche Nachrichten erst mit reichlicher Verspätung erreichten, spielte das keine Rolle. Sowieso glaube ich heute mehr denn je, daß musikalische Entwicklungen der 1980er Jahre in der DDR häufig ignoriert wurden. Für die eigene Musikszene interessierte sich zu diesem Zeitpunkt eh nur noch eine Handvoll Getreuer. Nur, was aus dem Westen kam, war relevant. Dabei betrachteten die Sammler und echten Enthusiasten, zu denen ich mich irgendwann zählte, Auswüchse wie die Neue Deutsche Welle als das, was sie tatsächlich waren: kurzlebiger Kinderkram. Aber auch Punk fiel nur in kleinen, großstädtischen Gruppen auf offene Ohren. Für uns hatte das eher mit Fasching zu tun, als mit Rebellion. Außerdem waren wir LP-Sammler, Punk jedoch ein Singles-Phänomen. Im Osten hielt man hartnäckig der Rockmusik der 60er und 70er Jahre die Treue. Platten von Yes, Led Zeppelin, Jethro Tull, Genesis (natürlich aus der Peter-Gabriel-Ära), Van der Graaf Generator, King Crimson, Gentle Giant, Jimi Hendrix oder den Doors, also allesamt Acts, die entweder längst auf dem absteigenden Ast oder mausetot waren, wurden in unserem „gallischen Dorf“ wie Ikonen be- und gehandelt. An diesen musikalischen Vorlieben hat sich zumindest in meiner Generation bis heute nicht viel geändert. Die spinnen, die Ossis! Bob Dylan wurde hier bis zum 17. September 1987, ungeachtet seines bis dahin zurückgelegten Zickzack-Kurses, fast ausschließlich als Gitarre spielender Solo-Barde wahrgenommen (was die erheblichen Irritationen im Publikum an jenem denkwürdigen Abend in Ost-Berlin zu großen Teilen erklärt). Und wer „Trans“ oder „Landing On Water“ nie gehört hatte, dessen Neil-Young-Universum (in dem hier alles um den Fixstern „Decade“ kreiste) hatte auch noch keine Dellen aufzuweisen. In dieser unserer kleinen, engen Welt aus musikalischer Unterversorgung und liebenswerter Starrköpfigkeit hatte auch Cat Stevens seinen festen Platz als romantischer, gutaussehender Sänger mit akustischer Gitarre und einer Stimme, die einen schnelleren Zugang zu Mädchenherzen versprach, als eine Flasche Murfatlar (für Gastleser: süßer rumänischer Weiß- oder Rotwein mit scheinbar aphrodisischer Wirkung). Im Kern beschränkte sich unsere Wahrnehmung seines Schaffens auf den Zeitraum von 1970 bis 1974, wobei eine Platte wie „Foreigner“ auf großes Unverständnis stieß und als „Ausrutscher“ galt. Von offizieller Seite findet sich erstmals im Beat-Lexikon von 1977 (VEB Lied der Zeit) ein längerer Eintrag (direkt nach Stern-Combo-Meißen). Der Autor H.P. Hofmann bemerkte damals: „Geriet ab 1966 in die Fänge der kapitalistischen Musikindustrie, wobei seine Songs an Tiefe und Aussagekraft verloren...“, sowie über die Zeit seines Comebacks: „Die offiziöse Musikindustrie 'schnitt' ihn bewußt, da seine Songs an 'sozialer Schärfe' zugenommen hatten (typisch dafür der Titel 'Peace Train').“ In der „aktualisierten und erweiterten Ausgabe“ („Rock“, VEB Lied der Zeit, 1983) schenkte sich Hofmann dann den Parteitagsjargon und erkannte „... gedankentiefe, von Friedensliebe und humanistischem Streben gekennzeichnete Titel...“. Und wieder wurde „Peace Train“ angeführt, dessen recht einfache Botschaft auch von den notorisch mißtrauischen Zensoren als vereinnahmungswürdig erkannt wurde. Selbstredend fand sich dieser Titel dann auch auf einer Compilation, die Amiga 1978 auf den Markt brachte (8 55 604). Immerhin enthielt diese Zusammenstellung auch Songs wie „O Caritas“, „Ready“ oder „Sitting“, die man auf den üblichen „Best Of“-Alben meist vergeblich suchte. In den liner notes bemerkte Herr Hofmann dann beim Künstler ein „... tiefes Unbehagen mit der kapitalistischen Wirklichkeit.“ Tja, die sozialistische kannte der ja auch nicht. Wäre sicher interessant geworden! Für das Frontcover verwendete man das Porträt von der Innenseite des „Teaser And The Firecat“-Klappcovers. Dieses Foto und die Titelauswahl jener sehr populären LP (auch ich habe nur beste Erinnerungen...) prägten das Cat-Stevens-Bild in der DDR nachhaltig, und viele hier haben bei der Erwähnung seines Namens auch heute noch diese Platte vor Augen, diese zwölf Songs im Ohr. Von „Mona Bone Jakon“, um endlich die Kurve zu kriegen, war jedoch nur „Lady D'Arbanville“ vertreten, womöglich auch ein Grund, warum meine Begeisterung so spät einsetzte.


Die auch von Herrn Hofmann konstatierte Frustration Stevens' über das Musikbusiness zum Ende der 1960er Jahre kam nicht von ungefähr. Er, der von Rhythm and Blues und den Beatles geprägt worden war, konnte mit der ihm zugedachten Rolle als Teenie-Schwarm mit entsprechend oberflächlichen Liedchen natürlich nicht zufrieden sein. Hinzu kam, daß nach anfänglichen Chart-Erfolgen mit den ersten drei Singles und dem ersten Album sein Stern schon 1967 wieder im Sinken begriffen war. Reaktion der Plattenfirma: unzählige Auftritte und Pressetermine zur Promotion von „New Masters“ sowie schwacher Singles vom Schlage „A Bad Night“ oder „It's A Super (Dupa) Life“. Selbst ob sein Geist noch willig war, darf bezweifelt werden. Sein Fleisch jedenfalls war für diese Knochentour eindeutig zu schwach, und er erkrankte im Frühjahr 1968 lebensbedrohlich an Tuberkulose. Während der drei Monate im King Edward VII Hospital in Midhurst, als man mit dem Schlimmsten rechnen mußte, bekam er eine völlig neue, erwachsenere Sicht auf das, was von seinem Leben noch übrig war. In der sich anschließenden einjährigen Rekonvaleszenz verarbeitete Stevens seine runderneuerten Ansichten und Einblicke in einer ganzen Reihe von Songs, die die Grundlage für seine folgenden Alben bilden sollten. Deram, noch immer seine Plattenfirma, veröffentlichte in jener Zeit noch lustlos zwei Singles, deren Erfolglosigkeit in Verbindung mit der Ungewissheit über seine vollkommene Genesung eine Trennung angebracht erscheinen ließ. Als er dann auch noch verkündete, an einem Musical zu schreiben, wurde dieser Schritt recht eilig vollzogen. Von den neuen Songs hatten die Verantwortlichen von Deram keine Ahnung. War hier arglistige Täuschung im Spiel? Jedenfalls dauerte es nicht lange, bis Chris Blackwell von Island Records dem nun vertragslosen Ex-Star für die folgenden neun Jahre eine neue Heimstatt bot, frei von jeglicher Bevormundung und extrem erfolgreich.


Anfang 1970 stellte Blackwell seinem neuen Künstler Paul Samwell-Smith, vormals Bassist bei den Yardbirds, als Produzenten zur Seite. Der hatte schon während seiner aktiven Zeit als Musiker erfahrenen Leuten wie Mickie Most oder Giorgio Gomelsky über die Schulter geschaut und schien für den gründlich entschlackten, neuen Sound von Cat Stevens genau der richtige Mann zu sein. Der blieb er auch, mit kurzer Unterbrechung, bis 1978. 2014 griff er seinem ehemaligen Schützling dann nochmals bei der Abmischung des Albums „Tell 'Em I'm Gone“ helfend unter die Arme.

Im Studio versammelten sich außerdem noch der Bassist John Ryan, Schlagzeuger Harvey Burns (beide blieben gleich noch bis zu den Aufnahmen für „Tea For The Tillerman“) sowie der Gitarrist Alun Davies. Letzterer sollte die einzige echte personelle Konstante in Stevens'/Yusufs musikalischer Laufbahn bilden. Als ich Yusuf 2011 zum ersten Mal live erleben durfte, stellte er seinen treuen Gefährten als „one of my best old friends“ vor und ergänzte, daß er ihn erstmalig bei den Aufnahmen zu „Mona Bone Jakon“ im Studio traf. Die Zeit damals bezeichnete er als „... the beginning of a new career, a new page, a new chapter for me.“. Dann kam „Trouble“.


Die Platte beginnt aber natürlich mit „Lady D'Arbanville“. Dieses melodramatische Abschiedslied (Stevens' blutjunge Model-Freundin Patti D'Arbanville war nicht etwa gestorben, sondern lediglich für einen Monat in ihre Heimatstadt New York zurückgekehrt) schaffte es mit einer eingängigen Melodie (und „Time/Fill My Eyes“ als B-Seite) bis auf Platz 8 der englischen Hitparade (in Deutschland Platz 23). Es sollte die einzige Auskopplung aus dem Album bleiben. In den heimatlichen Single-Charts markierte „Lady D'Arbanville“ trotz all der noch folgenden Hits den größten Erfolg des „neuen“ Cat Stevens. In England wurde er eher als Album-Künstler wahrgenommen, eine Tatsache, die seinem neuen Selbstverständnis durchaus entsprochen haben dürfte.

In „Maybe You're Right“ gesellt sich dann ein Klavier zur akustischen Gitarre. Auch hier dreht sich alles in blumigen Worten um eine gerade zu Ende gegangene Beziehung. Auf dem gesamten Album sucht man die im aufstrebenden Genre der Singer/Songwriter gerade angesagte Sozialkritik übrigens vergeblich. Das bewahrte Cat Stevens offenbar davor, in die große Lostrommel geworfen zu werden, aus der dann der jeweils „neue Dylan“ gezogen wurde, und in der praktisch jeder Neuling landete, der damals eigene Lieder zur Gitarre vortrug. Das entsprechende Etikett erwies sich in der Folge ausnahmslos als große Bürde für den jeweiligen Kandidaten, an der so mancher seine gesamte Karriere lang schwer zu schleppen hatte. Selbst spätere Songs wie „Where Do The Children Play“ deuteten Mißstände eher sanft an, als mit dem Finger allzu offensichtlich in irgendwelchen Wunden zu bohren. Ein Mann deutlicher Worte war Cat Stevens ganz bestimmt nicht. In Zeiten, da vormalige Klassenkämpfer scharenweise zu resignieren begannen, und der große Rückzug ins Private einsetzte, wurde seine recht allgemein gehaltene Botschaft von Liebe und Frieden jedoch nicht nur verstanden, sie wurde begeistert aufgenommen.


Pop Star“ ist dann nichts anderes als eine ironische Abrechnung mit seinem bisherigen, meist fremdbestimmten musikalischen Schaffen. Ein sinnfreier Refrain unterstreicht seinen Abgesang an die Welt der seichten, aufgemotzten Schlager. Die im strengen Gegensatz dazu stehende reduzierte Begleitung verweist auf die neu eingeschlagene Richtung. Allerdings hatte der geneigte Hörer ja schon zwei Titel lang Zeit gehabt, festzustellen, daß ein gravierender Wandel vonstatten gegangen war.

Und wieder folgt ein Liebeslied, diesmal mit optimistischem Grundton. Hart angeschlagene Klavierakkorde weckten bei „I Think I See The Light“ erstmals einen Verdacht in mir. Als Julian Dawson für seine bereits erwähnte Biographie über Nicky Hopkins auch Yusuf interviewte, erinnerte der sich noch lebhaft daran, wie der Ausnahmekünstler bei frühen Aufnahmen für Deram am Klavier saß. Von „Mona Bone Jakon“ war in dem Zusammenhang jedoch nicht die Rede. Doch auch bei „I Wish, I Wish“ sehe ich vor meinem inneren Auge den hageren Hopkins in die Tasten hauen. Neben der stilistischen Verwandtschaft spricht auch eine Tatsache zumindest nicht gegen meine Vermutung: ein Jahr zuvor spielte Gitarrist Alun Davies noch in einer kurzlebigen Band mit Namen Sweet Thursday, deren Debütalbum wegen des Konkurses der Plattenfirma versandete. Anschließend mußten sich die Bandmitglieder nach anderen Projekten umsehen. Der Pianist hieß Nicky Hopkins, und warum hätte der seinen Kollegen nicht einfach ins Studio begleiten sollen? Auf dem LP-Cover wird allein Stevens als Pianist genannt. Wenn es denn so war, war der jedoch hörbar ein Fan von Hopkins.


Mit „Trouble“ ist man dann bei einem Song angelangt, den ich als Kernstück des Albums bezeichnen möchte. Ich sehe förmlich den schwer erkrankten Künstler aufrecht im Bett sitzen, mit Bleistift und einem Notizblock, wie er den Kummer auffordert, nun, da er nur noch ein Häufchen Elend - „shattered and tossed and worn“ - ist, von ihm abzulassen. „I haven't got a lot of time“, und dabei gibt es noch so viel zu tun!

Dieser schonungslose Blick in die zweifelnde Künstlerseele scheint auch heute noch von ungebrochener Anziehungskraft. Coverversionen sind von den Red Hot Chili Peppers, Elliott Smith, Widespread Panic oder Eddie Vedder (der auch „Don't Be Shy“ im Repertoire hatte) verbürgt. Nicht zu unterschätzen ist dabei die visuelle Kraft einer Szene aus Hal Ashbys „Harold and Maude“. Wer den Film kennt, wird „Trouble“ nicht mehr hören können, ohne dabei Harold zu sehen, wie er in seinem schwarzen E-Type über Landstraßen und vorbei an einem Friedhof rast, um noch rechtzeitig zu Maude zu gelangen, die gerade in die Notaufnahme eingeliefert wurde. In diesem Meisterwerk von 1971 kamen neben „Trouble“ und einigen Songs von „Tea For The Tillerman“ auch noch „I Wish, I Wish“ und „I Think I See The Light“ zum Einsatz.


Die zweite Seite beginnt mit dem titelgebenden Song. In einem Interview hat Cat Stevens 1972 einmal zugegeben, daß „Mona Bone Jakon“ der Kosename für sein „bestes Stück“ sei. Männer machen so was gelegentlich. Nur, daß sie auch Lieder drüber schreiben, war mir neu. Eigentlich sollte das Album ja „The Dustbin Cried The Day The Dustman Died“ heißen. Der Titel wurde zwar verworfen, das Covermotiv mit der weinenden Mülltonne jedoch beibehalten. Sie finden das Cover häßlich? Auch wenn diese Einschätzung nachvollziehbar ist, will man dem dann eine Illustration des neuen Albumtitels vielleicht doch nicht vorziehen.

I Wish, I Wish“ läßt es anschließend etwas züchtiger angehen. Die ewigen Fragen über gut und böse, Liebe und Haß werden gestellt. Antworten gibt es keine. Dafür begeistert das Stück mit einem verschleppten Holper-Rhythmus. Und wenn Alun Davies' angespitzte Gitarrensoli aus den Boxen schießen, bleibt kein Auge trocken.

Mysteriös geht es in „Katmandu“ zu. Ist die damals bei Hippies sehr beliebte Stadt in Nepal gemeint? Allerdings wäre dann die Schreibweise nicht ganz korrekt. Oder ist der Name als Metapher zu verstehen? Kathmandu bedeutet für Europäer die letzte Station auf dem Weg zum Mount Everest. Und sind das tibetische Gebetsglöckchen, die ich da höre? Was auch immer uns der junge Gipfelstürmer hier sagen will, bleibt im Morgennebel hängen. Aber wie er es sagt berührt. Außerdem ist gerade dieser Titel ein Gradmesser für die Qualität Ihrer Boxen. Wenn jeweils bei der dritten Silbe von „Kat-man-du“ ein bollernder Bass einfällt, trennt sich die Spreu vom Weizen. Aber keine Panik! Bevor Sie jetzt über eine Neuanschaffung nachdenken, lesen Sie bitte erst zu Ende! Es kann nämlich gut und gerne auch an Ihrer Pressung von „Mona Bone Jakon“ liegen. Da wäre eine Korrektur dann preislich weit weniger schmerzhaft.


Time“, ein kurzes, sphärisches Stück über das Vergehen der Zeit und „Fill My Eyes“, in dem sich der Erzähler müde und ausgebrannt fühlt, beim Anblick der Geliebten am Morgen jedoch neue Kraft schöpft, scheinen auf eine nicht zu erklärende Weise zusammenzugehören. Jedenfalls empfanden das außer mir auch die Herren von der Plattenfirma, die beide Titel für die Single-B-Seite auswählten. Als in England erste Exemplare in den Läden auftauchten, verfügten diese über ein picture sleeve (auf der Insel eigentlich unüblich), auf dem noch das ursprünglich vorgesehene „Katmandu“ auf die Hülle gedruckt war. In Deutschland hielt man sich 1970 an die englische Vorlage, legte aber 1975 „Lady D'Arbanville“ nochmals auf, diesmal tatsächlich mit „Katmandu“ gekoppelt, und verfehlte leider die Charts. Die Flöte auf dieser B-Seite spielte übrigens ein gerade 20 Jahre alt gewordener Engländer, der mit seiner Band nach kommerziell enttäuschendem Debüt soeben ansetzte, den Progressive-Rock auf ungeahnte Gipfel zu führen. Sein Name steht auf der Rückseite des LP-Covers. Erzählen Sie mir nicht, Sie hätten ihn übersehen!

Die Platte endet mit „Lilywhite“, einem romantisch-banalen Liedchen mit kitschigen Streichern, das einen nach einem gebrauchten Tag ohne lange zu fackeln auf die Bretter schickt. Nur ganz große Schnulzen können das!


Wie ich aus eigener Erfahrung ja weiß, muß man sich dieses Album erarbeiten. Aber seien Sie versichert, es lohnt sich! Nicht nur überzeugt der neue Stil Cat Stevens' schon hier auf ganzer Linie, auch klanglich ist die Platte ein wahrhaftiger Genuß! Wie Sie ja spätestens seit meinem Eintrag zu Fotheringay wissen, war es damals bei Island üblich, die fertigen Bänder zum Mastering nach New York zu schicken. Bei Sterling Sound machte dann Lee Hulko einfach seinen Job. Da zuvor bereits die Musiker und der Produzent hervorragende Arbeit abgeliefert hatten, konnten es jetzt nur noch die Presswerke versemmeln. Und da wir es hier ja mit einem kleinen Jubiläum zu tun haben, erlaube ich mir, etwas ausführlicher darauf einzugehen.


Beginnen will ich mit einigen Originalpressungen aus Europa. Zuerst wäre da natürlich die englische (ILPS 9118) mit pinkfarbenem Label. Die Platte erschien im Juli 1970 und kam bis auf Rang 63 der Charts. Die Innenhülle ist mit den handgeschriebenen Texten und kleinen Zeichnungen des ambitionierten Künstlers bedruckt. Ohne diese Hülle halbiert sich übrigens heute der Wert der Erstausgabe! Bis einschließlich zur hier verwendeten dritten Variante des Pink-Labels wurden in England Platten von Island, das über kein eigenes Presswerk verfügte, hauptsächlich bei Polydor hergestellt. Mit dem Labelwechsel zu Pink Rim übernahm dann die EMI diese Aufgabe. Allerdings wurde schon „Tea For The Tillerman“ (die definitiv letzte englische LP mit Pink-Label) bei der EMI gepresst. Die Matrixnummer der Originalausgabe (A-3U/B-3U) beweist das. Das „U“ steht übrigens für ein Produkt, das nicht aus dem eigenen Katalog (also EMI, Parlophone, His Masters Voice oder europäische Columbia) stammt, sondern im Auftrag gefertigt wurde. Doch so weit sind wir noch nicht.

Die originale „Mona Bone Jakon“ hört sich einfach großartig an, mit sehr ausgewogenem, brillantem Klangbild, warm, differenziert und einem konturierten Bass, der ordentlich Bumms hat.

Wie man schon an der Katalognummer (6339 005) erkennt, wurden die ersten deutschen Exemplare noch im Philips-Vertrieb herausgebracht. Nach dem Wechsel zum Partner Ariola im Frühjahr 1971 kam dann neben der neuen Katalognummer 85 687 IT auch erstmals das Pink-Rim-Label zum Einsatz. Gern werden deutsche Pressungen mit weißem „i“ auf pinkfarbenem Label als Erstausgaben bezeichnet. Stimmt aber nicht. Die allerersten Exemplare hatten hier noch das sogenannte „eye“-Logo auf dem rosa Etikett. Allerdings besitzen beide Versionen nicht nur die gleiche Matrixnummer, sie wiegen auch gleich viel (142 Gramm). Es handelt sich also offensichtlich um mehr oder weniger identische Scheiben, die nur an unterschiedlichen Tagen aus der Presse kamen. Im Vergleich zum UK-Original fehlt bei Bass und Gesang etwas Kontur, ansonsten klingen auch diese Platten (nur eine Wertung, für Interessierte aber beide Label zum Anschauen) sehr gut.

Betrachtet man sich die Matrixnummern der französischen Pressung, die, wie auch die Katalognummer (6339 005), eine enge Verwandtschaft zur deutschen nahelegen, ist man nicht mehr überrascht, daß auch klanglich keine Unterschiede bestehen. Wenn man ein paar Euro sparen will, lohnt hier der Blick über die Grenze.


Wesentlich weiter war da der Weg meiner japanischen Ausgabe (auch ohne Porto noch die teuerste in der Runde). Hübsch ist sie ja anzusehen mit ihrem roten Obi-Strip und dem tollen Faltblatt (A&M AML 69). Und wäre das ein reines Instrumentalalbum, alles wäre in bester Ordnung. Wenn Mr. Stevens jedoch zu singen beginnt, zischelt es an allen möglichen Ecken! „Why do you sleep so still“ ist ein ähnlicher Kraftakt wie „Your heart seems so silent“. Über das erste Lied hinaus will man sich das dann gar nicht mehr antun. Schade! Punktabzug!


Jetzt wird es recht speziell, aber wenn Sie mir bislang gefolgt sind, stehen Sie das auch noch durch. Zumal es sich wirklich lohnt! Wie viele andere englische Island-Künstler stand auch Cat Stevens in Amerika bei A&M unter Vertrag. Die Bänder wurden ja sogar dort gemastert. Da auch A&M nie ein eigenes Presswerk besaß, ließ man entweder bei Columbia oder bei Monarch Records in Los Angeles fertigen. Als mich eine erste Pressung erreichte (A&M SP-4260), fielen sofort deutliche Laufgeräusche am Anfang und zwischen den Titeln auf. Ansonsten klang die Platte jedoch umwerfend! Da ich wissen wollte, ob das generell so ist, besorgte ich mir ein weiteres Exemplar (gegenüber englischen oder auch deutschen mit Pink-Label sind das echte Schnäppchen). Und siehe, die Geräusche waren verschwunden, der spektakuläre Klang jedoch geblieben! Nach eingehender Untersuchung stellte sich dann heraus, daß die erste vom Columbia-Presswerk in Terre Haute, Indiana stammte, die zweite von Monarch. Zwischen beiden liegen nicht nur etwa 2.000 Meilen, sondern auch genau 30 Gramm. Da ich nicht weiß, wie ich bei der Bewertung objektiv mit den Störgeräuschen umgehen soll, lasse ich das Columbia-Leichtgewicht einfach raus. Zum Vergleich stelle ich aber beide Labels in die Bildergalerie. Nur kann ich mich nicht dafür verbürgen, daß man die tatsächlich anhand der Etiketten identifizieren kann, oder ob die leichten Unterschiede einfach Zufall sind! Auf der sicheren Seite ist man hier nur mit einem Blick auf die Matrixnummern. Bei der Columbia-Platte findet man dort u.a. ein „T“ (für Terre Haute), bei der Monarch „MR“ in einem Kreis sowie das firmentypische stilisierte Alpha-Symbol. In meiner recht aussagekräftigen Ansammlung von Cat-Stevens-LPs spielen in der selben Liga wie die Monarch-Pressung nur noch die japanische Erstausgabe von „Catch Bull At Four“ sowie „Tea For The Tillerman“ in der Pressung von ... Aber ich will nicht vorgreifen!


Etwas einfacher wird es bei den Nachauflagen. Mit Pink-Rim-Labels können Sie nicht viel falsch machen, egal, ob aus England, Deutschland oder Holland. Im Vergleich zu den Originalen ist der Bass an den heftigen Stellen etwas unschärfer, zuweilen dröhnend, die deutschen (egal, ob mit „IT“ oder „ET“ am Ende) sind zudem insgesamt etwas spitzer. Ich besitze zwar eine zweite Engländerin mit diesem Label, auf deren Rückseite schon die neue Island-Adresse (ab 1973) steht (22 St Peters Square), die nicht nur deutlich leichter als ihre Schwester aus der Basing Street ist, sondern auch nicht mehr ganz so toll klingt, aber gegenüber dem, was ab ca. 1975 folgen sollte, ist die immer noch im Vorteil. In der zweiten Jahreshälfte tauchten da die ersten Platten mit dem sogenannten Orange-Palm-Label auf, das gut ein Jahr in Gebrauch blieb. So genau kann man das nicht sagen, da es diverse Überschneidungen gab. Meine holländische Pressung von 1976 (88 165 XAT; lächerliche 109 Gramm) macht dann auch deutlich, daß nun der Spaß vorbei war. Es fehlt an Dynamik, Brillanz, Bass (keine Herausforderung mehr für irgendeine Box) und vor allem Wärme. Lag es an der Energiekrise?

Die darauf folgende Ära des Day-&-Night-Labels hatte dann auch keine positiven Überraschungen mehr zu bieten. Die, mit der ich viele Jahre auskommen mußte (85 687 ET, 123 Gramm, Deutschland, 1988), machte es mir fast unmöglich, mit dem Album warm zu werden, auch wenn sie tatsächlich etwas besser klingt als die Holland-Ausgabe von 1976. Aber schließlich stammte sie ja auch aus dem Sonopress-Werk (hauseigene Produktion bei Bertelsmann), was man ganz leicht am kleinen geprägten Bass-Schlüssel in der Nähe des Mittellochs auf der B-Seite erkennt.


Da inzwischen auch die Rechte am Island-Katalog bei Universal liegen, wurde „Mona Bone Jakon“ fast folgerichtig im Jahr 2008 in deren „Back To Black“-Serie wiederveröffentlicht (0042284235112). Nun konnte ich bislang kaum Gutes über diese Reihe sagen, also muß es wohl Neugier gewesen sein, die mich veranlasste, auch diese immerhin satte 188 Gramm schwere Platte zu kaufen. „Größe ist nicht alles!“, sage ich immer gern. Für das Gewicht trifft das ebenfalls zu. Immerhin ist die europäische Fertigung tadellos. Das Ding kommt außerdem neu und relativ preiswert ins Haus. Aber ihm geht jeglicher Charme ab, auch wenn ich zugeben muß, daß ich das Ausschwingen des Beckens am Ende von „Lady D'Arbanville“ noch nie so deutlich gehört habe. Und sich für eine Wiederauferstehung des Pink-Rim-Labels zu entscheiden, zeugt nicht vom Geschichtsverständnis der Macher.


So, die 50. Rezension neigt sich dem Ende zu. Wenn meine Vorlieben für Island Records und Cat Stevens aufeinandertreffen, kann es schon mal etwas ausufern. Aber vielleicht haben Sie ja zwischen den Feiertagen auch etwas mehr Zeit und Muße als sonst.

Während des notwendigen Hörmarathons überkam mich einmal mehr ein großes Unverständnis, die allgemeine Akzeptanz dieses besonderen Albums betreffend. Audiophile in aller Welt bekommen feuchte Augen, wenn von Originalausgaben von „Tea For The Tillerman“ und „Teaser And The Firecat“ die Rede ist, entsprechende Edel-Ausgaben wurden von diesen aufgelegt (MFSL, A&M Audiophile Series etc.), „Mona Bone Jakon“ jedoch bis heute schlicht übersehen bzw. überhört. Sollte also die EU irgendwann beschließen, daß jeder europäische Haushalt über mindestens ein Cat-Stevens-Album zu verfügen hat (Lachen Sie nicht! In Brüssel wurden schon weit sinnlosere Dinge beschlossen!), und sollten Sie der Hits längst überdrüssig sein, wissen Sie jetzt hoffentlich, was zu tun ist.

Denn eigentlich, einsame Insel hin oder her, sucht man doch beständig nach Platten, die weder musikalisch noch klanglich irgendwelche Zugeständnisse einfordern, Platten, die nahe am Ideal liegen, und die man am Ende des Tages auflegt, um sich zu belohnen, zu trösten, zu verwöhnen. Und Cat Stevens' erstes wirklich großes Album in einer sehr guten Pressung ist dafür immer eine sichere Bank.

Daß Yusuf vor einigen Wochen, als ich ihn erneut live erleben konnte, trotz 30 gespielter Songs auf keinen einzigen von „Mona Bone Jakon“ zurückgriff und trotzdem ein unvergessliches Konzert ablieferte, spricht keineswegs gegen die Platte, sondern für das unglaubliche Repertoire dieses außerdem noch äußerst bescheidenen und grundehrlichen Künstlers.


Musik: 9,0

Klang: 9,0 (England, 1970)

Klang: 8,5 (Deutschland, 1970)

Klang: 8,5 (Frankreich, 1970)

Klang: 7,0 (Japan, 1970)

Klang: 9,5 (USA, 1970)

Klang: 8,5 (England, 1971/72)

Klang: 8,0 (Deutschland, Anfang 1970er)

Klang: 6,5 (Holland, 1976)

Klang: 7,0 (Deutschland, 1988)

Klang: 8,0 (Europa, 2008)


Ronald Born, Weihnachten 2014